Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
Vom Netzwerk:
zeugte von großer Handwerkskunst. Doch vermutlich war all dies nichts gegen den Luxus, in dem die Äbtissin als Tochter eines Herzogs einst aufgewachsen war.
    »Benedicte, ehrwürdige Mutter.« Lena verneigte sich leicht.
    »Dominus, meine Tochter.« Die Äbtissin lächelte Lena gütig zu.
    »Benedicte, ehrwürdige Mutter«, sagte auch Margarita.
    »Dominus, meine Tochter«, wiederholte die Oberin, diesmal allerdings ohne zu lächeln. »Ich danke dir, Margarita. Du kannst uns jetzt allein lassen.«
    Für einen Moment schien der Leib der Tante vor Trotz zu erbeben. Doch statt ein Wort des Widerspruchs zu verlieren, verneigte sie sich und verließ die Wohnung der Oberin. Nicht ohne Lena zuvor eindringlich anzusehen und stumm an ihre familiären Verpflichtungen zu gemahnen.
    Die Äbtissin bot Lena auf einem der kostbaren Stühle einen Platz an, nicht anders als in den vielen Stunden, die sie hier verbracht hatte, um ihre heilkundige Gabe in den Dienst der ehrwürdigen Mutter zu stellen. Doch längst hatte die Äbtissin zu ihrer früheren Stärke zurückgefunden, mit der sie das Kloster so trefflich zu leiten verstand, und wenngleich Mutter Clara keine junge Frau mehr war, so strahlte sie doch eine alterslose Anmut aus. Nach wie vor schlank und beweglich, war jede ihrer Bewegungen von einer ganz eigenen Feinheit.
    »Ich habe deinen Weg in den letzten Monaten mit Wohlgefallen verfolgt«, begann die Oberin. »Du stellst deine große Gabe in den Dienst der Menschen, und dein Ruf ist weit über die Mauern unseres Klosters hinausgedrungen.«
    Warum sagte sie ihr das? Ob Tante Margarita vielleicht doch recht hatte? Wünschte die ehrwürdige Mutter eine Entscheidung von ihr? Unsicher suchte Lena den Blick der Äbtissin. Doch in deren Augen lag keine unausgesprochene Forderung.
    »Heute früh erreichte mich eine Botschaft von Graf Dietmar von Birkenfeld«, fuhr die Oberin fort.
    »Graf von Birkenfeld?« Lena erinnerte sich an eine Burg dieses Namens, die etwa eine Tagesreise vom Kloster entfernt lag, in den rauen Wäldern am Ufer der wilden Bode. Räuberland nannten die Bauern jene Gegend.
    Die ehrwürdige Mutter nickte. »Graf Dietmar hat von deiner seltenen Gabe gehört und bittet um deine Hilfe. Seine Gemahlin ist seit der Geburt ihres bislang einzigen Kindes vor vier Monaten leidend. Weder die besten Ärzte noch der Beistand eines Priesters vermochten ihr zu helfen. Deine Kunst ist seine letzte Hoffnung.«
    »Welche Erkrankung hat die Gräfin denn befallen?« Dass Ärzte oft nicht weiterwussten, war für Lena nichts Neues, aber die Erwähnung des Priesters machte sie stutzig.
    Die Äbtissin wiegte nachdenklich den Kopf. »So genau weiß es niemand. Die Ärzte behaupten, die Säfte ihres Körpers seien nach der Geburt des Kindes ins Ungleichgewicht geraten. Der Priester fürchtet, ihre Anfälle könnten ein Zeichen der Besessenheit sein.«
    »Ein Dämon?« Lenas Augen weiteten sich. Vor der Schwarzen Kunst fürchtete sie sich, und Höllenwesen hatte sie nichts entgegenzusetzen. Ihre Kraft entsprang einer anderen Quelle.
    Die ehrwürdige Mutter lächelte nachsichtig. »Ich glaube nicht an einen Teufel, der in den Körper der Gräfin gefahren ist. Ich vermute vielmehr die eigenen Dämonen, die in unserer Seele wachsen, wenn wir ihnen nicht stark genug entgegentreten. Das hast du mich gelehrt, Helena. Willst du diesmal vor deiner eigenen Kraft zurückschrecken?«
    Die Gelassenheit der Äbtissin beschämte Lena.
    »Nein, gewiss nicht. Ich werde mein Bestes versuchen.«
    »Sehr gut. Der Graf hat einen Wagen und eine angemessene Abordnung seiner Dienerschaft geschickt, damit du morgen früh aufbrechen kannst.«
    »Aufbrechen? Ich soll das Kloster verlassen?« Eine eisige Faust griff nach Lenas Herzen. Das Kloster schenkte ihr Sicherheit, hier hatte sie endlich Frieden gefunden.
    Die Äbtissin nickte. »Es ist der Gräfin derzeit nicht zuzumuten, sich den Unwägbarkeiten einer Reise auszusetzen. Du wirst dich ihrer auf Burg Birkenfeld annehmen.«
    »Aber …«, begann Lena, doch die Oberin ließ keinen Widerspruch zu.
    »Schwester Ludovika wird dich begleiten.«
    »Schwester Ludovika?« Nichts hätte Lena in noch größeres Erstaunen versetzen können als dieser Name. Sie mochte Ludovika sehr, doch die Nonne war erst sechzehn. Es war nicht üblich, so jungen Ordensfrauen eine Reise außerhalb des Klosters zu gewähren, zumal Lena selbst erst neunzehn war.
    Die Äbtissin missdeutete Lenas Überraschung. »Ludovika ist die beste
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher