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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
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sehr froh, dass Ihr die Beschwerlichkeiten der Reise auf Euch genommen habt.« Der Kaplan zog einen brennenden Kienspan aus der Halterung neben dem Eingang zum Turm. »Euer Ruf ist Euch weit vorausgeeilt. Die Bauern verehren Euch wie eine Heilige.«
    Wieder glühten Lenas Wangen. »Bitte sagt so etwas nicht.«
    Ewald wandte sich um und betrachtete sie voller Wohlgefallen, woraufhin sie noch tiefer errötete. Dann lächelte er gütiger als der Beichtvater nach dem Mittagessen. »Verzeiht einem alten Narren, er wollte Euch nicht in Verlegenheit bringen.«
    Der Kaplan führte Lena und Ludovika über eine schmale Stiege ins erste Stockwerk. Selbst im spärlichen Licht konnte Lena die Seile ausmachen, die notfalls gekappt werden konnten, um den Turm vor Angreifern zu sichern.
    Angenehme Wärme schlug ihnen entgegen, als Ewald die Tür zum Prunkgemach des Grafen öffnete. Selten zuvor hatte Lena einen so schönen Kamin gesehen. Seine Einfassung war mit steinernen Ornamenten in Form von Blütenranken verziert, die kunstfertige Hände lebensnah bemalt hatten. Das Prasseln des Feuers mischte sich mit dem Knacken der brennenden Scheite. Zum ersten Mal, seit sie Burg Birkenfeld erblickt hatte, fühlte sie so etwas wie Geborgenheit. Der Graf war nicht nur ein guter Gastgeber, sondern ein reicher noch dazu. Lüster an Wänden und Decken, in denen Kerzen brannten. Wachskerzen, keine billigen Talglichter. Am Fenster stand ein mächtiger Tisch aus dunklem Holz, unter dem ein großer Hund mit grauem Fell und Schlappohren schlief. Vor dem Kamin lag das Fell eines Braunbären, dem man den Kopf belassen hatte. Daneben standen zwei hohe Lehnstühle aus dunklem Holz, deren Sitzflächen mit Lammfellen belegt waren. Der eine war leer, vom anderen erhob sich bei ihrem Eintreten ein hochgewachsener Mann mit hellblonden Haaren, die sich im Nacken kringelten. Der allgemeinen Gepflogenheit entsprechend war er glatt rasiert.
    »Willkommen auf Burg Birkenfeld, ehrwürdige Schwestern. Ich bin Graf Dietmar.«
    Soeben wollte Lena das Missverständnis aufklären, doch der Kaplan kam ihr hilfreich zuvor. »Frau Helena ist keine Nonne, sie lebt nur in der Zurückgezogenheit des Klosters.«
    Graf Dietmar sah sie forschend an. » Frau Helena? So seid Ihr verheiratet?«
    Wie ungewöhnlich blau seine Augen waren! Sie atmete tief durch.
    »Die ehrwürdige Mutter Oberin hat mich geschickt, da Ihr um Hilfe für Eure Gemahlin ersucht habt. Sagt, wie ich Euch dienlich sein kann, Herr Dietmar.«
    Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Er hatte ihr Ausweichen sehr wohl bemerkt, doch bewies er genügend Takt, es dabei zu belassen. Dann wurde er wieder ernst.
    »Die Gräfin wird seit der Geburt unseres Sohnes von seltsamen Zuständen heimgesucht. Eure Kunst ist unsere letzte Hoffnung.« Er hielt kurz inne. »Ihr seid gewiss hungrig. Wir speisen in einer Stunde zu Abend, dann werdet Ihr auch mein Weib kennenlernen. Ewald, hättet Ihr die Güte, unseren Gästen ihre Räumlichkeiten zu zeigen?« Beinahe entschuldigend fügte er hinzu: »Verzeiht, dass erst eine der Kammern hergerichtet ist. Ich ahnte nicht, dass Ihr in Begleitung kämt. Die Mägde werden sich sogleich darum kümmern.«
    »Ihr müsst Euch keine Umstände machen. Schwester Ludovika und ich werden uns die Kammer teilen.«
    »Es ist kein Umstand«, widersprach der Graf. »Von außen mag die Burg nicht groß erscheinen, doch an warmen Stuben herrscht kein Mangel.«
    Er lächelte sie freundlich an, und plötzlich war ihr so, als kenne sie ihn schon seit Jahren. Irgendetwas in seinem Blick nahm ihr jede Angst, und zum ersten Mal, seit sie in der Frühe das Kloster verlassen hatte, kam ihr der Gedanke, dass es gut war, in die Welt zurückzukehren.
    Die Gästestuben lagen hoch oben im Turm. Es waren schlichte Kammern, doch gab es neben einer bequemen Bettstatt mit besten Leinenlaken eine Kleidertruhe, einen Tisch und zwei Schemel aus Eichenholz. Auf dem Tisch standen eine Kanne aus Steingut und eine Waschschüssel. Den blank gescheuerten Boden bedeckten weiche Schaffelle, und unter dem Bett entdeckte Lena ein Nachtgeschirr. Über der Truhe hing ein schlichtes kleines Holzkreuz, der einzige Schmuck an den rauen Wänden, wenn man von den Kerzenhaltern absah.
    Die hölzernen Fensterläden waren um diese Zeit schon verschlossen. Der Blick von hier oben musste beeindruckend sein – auf die Hügel, die grünen Frühlingswälder und die ungezähmte Bode. Auf einmal verspürte Lena eine wilde Vorfreude auf den
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