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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
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hatten, zogen sich taktvoll zurück, als Philip die Decken brachte. Seit er Lena befreit hatte, hatte sie noch kein Wort gesprochen, nur genickt. Sie legte seinen nassen Umhang ab, der sie vermutlich weniger vor der Kälte als vor den Blicken geschützt hatte, und hüllte sich mit einem erleichterten Seufzer in eine warme Decke ein.
    Er kniete vor ihr nieder, strich ihr die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und begutachtete die Wunden, die man ihr geschlagen hatte. Ihre Nase war geschwollen, eine Blutkruste zog sich bis zur Oberlippe hinunter. Am Kinn zeichnete sich ein hässlicher blauer Fleck ab. Die Grausamkeit, mit der man sie behandelt hatte, erschreckte ihn.
    »Es ist alles gut«, sagte sie. Ihre Stimme klang seltsam rau und näselnd »Mir ist nichts weiter geschehen.« Sie strich ihm über das feuchte Haar, als müsse sie ihn trösten und nicht umgekehrt. Er ergriff ihre Hand und drückte sie an die Lippen.
    Irgendwo knarrte eine Tür. Philip wandte sich um. Die Tür zum Treppenaufgang hatte sich nicht bewegt.
    »Hinter dir!«, schrie Lena. Philip sprang auf. Graf Dietmar! Wie war er hereingekommen? Gab es noch weitere Geheimgänge? Das Schwert in Dietmars Händen ließ ihm keine Zeit, darüber nachzusinnen. Philip zog seine Waffe.
    »Du verdammter Bastard!«, schrie der Graf. »Glaubst, du könntest dich als Ottos Sohn ausgeben und mich um mein Eigentum bringen?« Giftig wie seine Stimme schnitt die Klinge durch die Luft, prallte gegen Philips Waffe.
    »Ich bin Ottos Sohn«, entgegnete Philip. »Aber ich hatte nie die Absicht, Euch um Euren Besitz zu bringen. Das habt Ihr ganz allein geschafft.«
    »Ein dreister Lügner bis zuletzt!« Eisen schlug auf Eisen. Graf Dietmar war ein guter Kämpfer. Ottos Bruder. Sein Onkel. Jeder seiner Schläge war wohlgesetzt, jeder Angriff von tödlicher Genauigkeit und voller Hass. Es kostete Philip alle Kraft, den Hieben auszuweichen. Dietmars Ähnlichkeit mit seinem Vater war unverkennbar. Es waren nicht nur die gleichen Gesichtszüge, die gleichen blauen Augen, das gleiche helle Haar. Es war die Art, wie Dietmar kämpfte. Er hatte Ottos Fähigkeiten. Und obwohl Philip jeden Hieb parieren konnte, obwohl er wusste, dass er mittlerweile besser war als sein Vater, war es ihm, als wäre er wieder der Sohn, der vergebens versucht, sich gegen einen Mythos zu behaupten.
    Ein staubiger Geschmack lag auf seiner Zunge. Wüstensand … Nein! Nicht dieses Bild! Sattelleder knarrt, ein Ruck geht durch sein Pferd. Mit aller Kraft schlug er auf Dietmar ein, versuchte, die grausamen Bilder zu erschlagen, die sich mit Macht in seine Seele drängten. Ein grauenhafter Schrei … Niemand schreit. Er ist nicht mein Vater! Ein heftiger Schmerz! Und diesmal war er echt. Fassungslos starrte Philip auf die blutige Klinge seines Gegners, brauchte eine Weile, um zu erfassen, wo er getroffen war. Spürte nach und nach den brennenden Schmerz in der Seite, das warme Blut, das in der Regenfeuchte seiner Kleidung unterging.
    »Du willst Ottos Sohn sein?« Dietmar lachte. »Nichts als ein Regensteiner Bastard! Und jetzt stirbst du.«
    Ein neuer Angriff. Philip fing ihn ab, konnte Dietmar sogar um einige Fußlängen zurücktreiben, doch nun spürte er die Wunde in seiner Flanke bei jedem Schritt. Nur keine Schwäche zeigen! Du hast ihn, du kannst ihn kriegen! Er ist nicht dein Vater. Er ist eine Schande für alle Birkenfelder! Zoll um Zoll drängte er Dietmar zurück, immer näher zur Wand hinüber. Entdeckte die Öffnung des Geheimganges, durch den der Graf in den Saal gelangt war. Der Hass in Dietmars Augen loderte heller als zuvor. Zum ersten Mal konnte Philip erahnen, was Lena mit der Seelenflamme meinte, glaubte, sie selbst zu sehen. Blutrot, ohne jede Gnade.
    Dietmars Attacken wurden wieder heftiger. Oder lag es nur daran, dass Philip an Kraft verlor? Mit jedem Tropfen seines Blutes, das sein Hemd durchtränkte, schwächer wurde?
    Ein weiterer Hieb, so stark, dass Philip in die Knie brach. Schwarze Funken tanzten ihm vor den Augen, als er sich mühsam wieder erhob. Er sah die tödliche Klinge vor sich, wollte sein Schwert hochreißen, doch er war zu langsam. Mitleidlos fuhr Dietmars Waffe nieder, um dann plötzlich an Kraft zu verlieren. Im selben Moment stieß Philip zu. Durchbohrte die Brust des Grafen und erkannte erst jetzt, warum sein Feind gezögert hatte. Hinter Dietmar stand die Gräfin. In ihrer Hand ein blutiger Dolch.
    Er starrte sie an, sah, wie sie die Waffe hob und gegen sich selbst
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