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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
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Gefühl, seine Gehörgänge wären mit Wachs verstopft.
    Leopold schien es ähnlich zu gehen, denn er schüttelte den Kopf hin und her, als hätte er Wasser in die Ohren bekommen. Nur Said ließ sich nichts anmerken. »Das haben sie gewiss in der Burg gehört«, sagte er.
    »Man könnte es auch für einen fernen Donner halten«, antwortete Philip.
    »Ich staune immer wieder über Euch.« Leopold bohrte mit dem kleinen Finger im rechten Ohr. »Lässt dieses taube Gefühl irgendwann wieder nach?«
    »Ja«, beruhigte Philip ihn. »Nun kommt schon!«
    Die Wucht der Explosion hatte die Türangeln aus der Felswand gerissen, und die Tür war zu Boden gestürzt. Dahinter wurden steinerne Stufen sichtbar, die nach oben führten und unter einer Falltür endeten.
    »Und jetzt?«, fragte Leopold.
    Philip reichte ihm wortlos das Licht und stemmte sich gegen die Luke. Sie gab tatsächlich nach. Vorsichtig schob er den Kopf hindurch und ließ sich von Leopold den Kienspan zurückgeben. Linker Hand entdeckte er Weinfässer, rechts hingen Würste und Schinken. Menschen sah er nicht.
    »Einen hübschen Vorratskeller hat der Graf.« Er kletterte ganz hinauf und schaute sich weiter um, während Leopold und Said ihm nachkamen.
    Gegenüber den Weinfässern erkannte Philip weitere Stufen. Er zog sein Schwert.
    »Herr Leopold, jetzt wäre es wohl an der Zeit, dass Ihr Eure Männer ruft. Said und ich versuchen, Lena zu befreien, Ihr solltet uns den Rücken freihalten.«
    Die Mundwinkel des Fürstensohnes zuckten kurz, ganz so, als wolle er widersprechen, doch dann nickte er und kletterte wieder in den Geheimgang hinunter.
    »Du willst ihn außer Gefahr wissen, nicht wahr?«, flüsterte Said, kaum dass Leopold fort war.
    Philip nickte. »Das hier erledigen wir besser allein.«
    Als sie die Stufen hinaufstiegen, merkten sie, dass sie sich im Wohnturm befanden. Philip erkannte den Aufgang, der zum Prunkgemach des Hausherrn führte. Er tauschte einen kurzen Blick mit Said.
    »So wie in der Nacht, als wir mit Lena geflohen sind?«
    »Soll ich vorausgehen?«, fragte der Araber. Philip nickte und löschte den Kienspan. Said huschte geschmeidig wie eine Katze an ihm vorüber. Er hatte einen seiner beiden Säbel zurück in den Gürtel gesteckt, um eine Hand frei zu haben.
    Der Brandgeruch hatte sich bis ins Innerste der Burg gefressen. Wie viele der kleinen Gesindehäuser mochten noch stehen?
    Schritte! Hastig drückten sich die beiden Eindringlinge an die Wand, um mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Es war eine der Mägde. Sie kam so nahe an Philip vorüber, dass er den regennassen Stoff ihres Kleides roch, doch sie hatte es eilig und hastete die Treppe hinauf, ohne die Schemen zu bemerken.
    Erst als ihre Schritte verhallt waren, schlichen sie weiter. Die Tür zum Hof war nur angelehnt. Vorsichtig schob Philip sie auf. Es regnete. Stärker, als er es hierzulande bislang erlebt hatte. Er konnte keine einzelnen Tropfen mehr unterscheiden, sah nur noch graue Streifen und verschwommene Umrisse. In der Mitte des Hofes sammelte sich das Wasser bereits in großen Pfützen. Die Menschen hatten sich offenbar alle in die Gebäude zurückgezogen. Philip spähte zum Durchlass hinüber, der in die Vorburg führte. Er war unbewacht. Dann fiel sein Blick auf die äußerste Mauer. Dort war die Spitze des Pfahles zu erkennen, an dem man Lena festgebunden hatte, ein Schimmer ihres blonden Haares, doch nicht mehr. Er wandte sich ab. Er durfte sich nicht von Zorn und Schmerz überwältigen lassen, wenn er sie retten wollte.
    »Sie werden uns sehen«, flüsterte Said.
    »Ja, aber sie werden mich nicht unbedingt erkennen. Warte hier auf Leopold! Ich gehe allein vor.« Philip steckte sein Schwert zurück in den Gürtel und zog die Kapuze seines dunklen Umhanges tief ins Gesicht.
    Said nickte stumm und legte ihm beide Hände auf die Schultern. Für einen Augenblick umfasste Philip die Arme seines Freundes, dann trat er in den Regen hinaus, die Rechte fest um den Griff seines Schwertes gelegt. Er zählte die Schritte bis zum kleinen Tor. Vierzehn, fünfzehn, sechzehn. Noch nie war ihm der Weg so lang vorgekommen. Sein Umhang wurde schwer von der Nässe, die sich in den Wollstoff saugte. Keiner schien ihn zu beachten. Auch nicht, als er die Vorburg betrat.
    Er hatte immer gewusst, dass die kleinen Häuser Feuer gefangen hatten, hatte geahnt, dass nur noch rauchende Trümmer übrig wären. Umso mehr wunderte er sich, dass es ihn berührte. Die Schmiede war ausgebrannt, das
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