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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
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Kind doch nicht enttäuschen.« Philip tätschelte seinem Rappen den Hals. »Vielleicht wäre deine Laune besser, wenn du nicht immer so standhaft wärst.«
    Mit Blick zum Himmel hob Said beide Hände. »Davor sei Allah! Lose Frauenzimmer bringen einem Mann nur Unglück. Erst umgarnen sie dich, dann weben sie aus eben jenem Garn ihr Netz, und ehe du dich versiehst, zappelst du darin wie ein Fisch, der in der Sonne hilflos nach Luft schnappt.«
    »Hast du mich schon einmal hilflos nach Luft schnappen sehen?«
    »Nein«, gestand Said. »Aber ich sehe, wohin es uns geführt hat. In kalte, dunkle Wälder, denen jeder Hauch von Schönheit fehlt. Wo wachsen hier Zypressen oder Sykomoren? Wo ist die Wärme? Und was leben hier für Menschen! Groß und grobschlächtig, am ganzen Körper behaart wie wilde Affen.«
    »Wahrscheinlich weil es hier so kalt ist.«
    »Ich sehne den Tag herbei, da dir der Spott vergeht. O Allah, warum habe ich ihn nur hierher begleitet? Warum bin ich nicht in Alexandria geblieben, wo alles hell und schön ist, wo die Jungfrauen noch wissen, was sich geziemt, und alle, zumindest fast alle«, fügte er mit einem Seitenblick auf Philip hinzu, »dem rechten Glauben angehören.«
    »Vermutlich weil ich dir jeden Monat an meiner Seite versilbere.«
    Said fuhr herum. »Und jetzt beleidigst du mich auch noch, sprichst von Versilbern, als wäre ich ein Knecht, der dir nur um des Lohnes willen folgt? Von der Freundschaft, die uns seit Kindheit verbindet, sprichst du gar nicht mehr?«
    »Ah, die Freundschaft, ja, du hast recht. Wie konnte ich überhaupt auf den Gedanken kommen, du nähmst auch nur einen Silberdenar aus meiner Hand entgegen. Ich danke dir, mein Freund.«
    »Moment.« Auf einmal überschlug Saids Stimme sich. »Ich redete von der Freundschaft, die mich daran hindert, mehr als dieses kaum erwähnenswerte Almosen anzunehmen, das du mir ab und an auszahlst, um deiner christlichen Seele zum Heil zu verhelfen.«
    »Wie überaus fürsorglich von dir.« Philip deutete eine spöttische Verbeugung an. »Aber sag, warum zahlst du mir dann kein Almosen? Gebietet der Koran nicht ebenso, der Armen zu gedenken?«
    »Sehr richtig, aber seit wann bist du arm?«
    »Wenn du so weitermachst, dauert es nicht mehr lange.«
    Da schreckte sie ein gellender Schrei aus ihrem Geplänkel auf. Said zuckte so heftig zusammen, dass ihm fast der Turban vom Kopf gerutscht wäre. Philip riss sein Pferd herum. »Das kam von da vorn!« Er trieb seinen Rappen an, geradewegs in die Richtung des Gebrülls und Waffengeklirrs, in dem der erste Schrei verklungen war. Said folgte ihm. »Hältst du es wirklich für klug, wenn wir uns in fremde Händel einmischen? Du weißt doch, wie das ist. Am Ende sind wir diejenigen, denen man den Schädel einschlägt.«
    »Dein Schädel ist doch gut gepolstert.« Philip warf Said einen amüsierten Blick zu. Wie oft hatte er vergeblich versucht, seinem Freund eine etwas unauffälligere Kleidung anzudienen, aber da war der kleine Araber sehr eigen. Um nichts in der Welt hätte er die Gewandung der Abendländer angelegt.
    Obgleich der Lärm den Eindruck erweckte, der Überfall finde unmittelbar vor ihrer Nase statt, brauchten sie doch einige Zeit, bis sie den Hohlweg erreichten, an dem die Angreifer ihren Opfern aufgelauert hatten. Philip konnte gerade noch sehen, wie sich mehrere dunkle Gestalten auf zwei schwer beladene Wagen stürzten und die Zugochsen antrieben. Weitere Räuber griffen nach den ledigen Pferden. Ringsum lagen Tote, die meisten von ihnen trugen einen rot-weißen Waffenrock. Philip kannte das Wappen. Es gehörte den Halberstädtern.
    Dann fiel sein Blick auf einen Reiter, der oberhalb des Hohlwegs auf einem Schimmel saß und den Räubern Befehle erteilte. Er musste zweimal hinschauen, um zu glauben, was er sah. Das war kein Jüngling. Das war eine Frau in Männerkleidung! Ihre vollen Brüste zeichneten sich deutlich unter dem grauen Stoff ab, und ihr langes Haar war rot wie Höllenfeuer. Sie trug sogar ein Schwert um die Hüfte. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Dann wendete sie ihr Pferd und galoppierte davon. Fast hätte er aus einer schnellen Regung heraus seinen Rappen angetrieben und wäre ihr gefolgt, doch da hörte er Saids Stimme.
    »Hier ist noch einer am Leben.« Der kleine Araber war vom Pferd gestiegen und beugte sich über einen der Halberstädter. Auch Philip sprang aus dem Sattel. Der Mann hatte einen Schwerthieb in die Seite erhalten, doch die Verletzung war
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