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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
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lag sie halb unter dem Tisch, die Kappe auf ihrem Kopf war verrutscht und gab den Blick auf ihre vollen goldbraunen Haare frei.
    Dietmar war sofort bei ihr, versuchte sie zu halten, dabei riss er das Tischtuch halb herunter. Pokale und Schüsseln fielen zu Boden. Ein Krug Wein landete vor Ludovikas Füßen und hinterließ dunkle Flecken auf ihrem Habit. Lena sprang auf und wollte dem Grafen helfen, seine Frau zu halten. Da hörte sie die Schreie, von denen Gerda berichtet hatte, und plötzlich begriff sie, warum die alte Magd sich bekreuzigt hatte. Nie zuvor hatte sie so viel Qual in der Stimme eines Menschen gehört. Mit keinem anderen Laut hätte sie dieses Wehklagen vergleichen können. So mussten die gepeinigten Seelen in der Hölle brüllen.
    Endlich gelang es Graf Dietmar, Elises wild schlagende Arme zu bändigen und sie an sich zu ziehen. In den Armen ihres Gatten verebbten ihre Schreie, und ihr Körper wurde ruhiger, bis sie plötzlich schlaff und reglos am Boden liegen blieb. Wie ein zartes, zerbrechliches Kind hob der Graf sie vorsichtig hoch. Er war blass geworden. Ohne jede Erklärung trug er sie aus dem Saal.
    Lena wusste nicht, ob sie ihm folgen oder bleiben sollte. Ewald war ihr hilfloser Blick nicht entgangen.
    »So ist es jedes Mal«, seufzte der Kaplan und wischte sich ungeschickt die Reste der eingelegten Feigen von der Kleidung. Er hatte am meisten abbekommen, als der Graf das Tischtuch heruntergerissen hatte.
    »Das war schrecklich«, flüsterte Ludovika. »Die arme Frau. Wie oft ereilt sie dieses Schicksal?«
    »Manchmal zweimal in der Woche, oft seltener. Aber es ist immer grausam, und Herr Dietmar leidet fast so sehr wie sie.«
    Der Blick des Kaplans traf Lena bis ins Innerste. So viel Hoffnung lag darin. Es war der gleiche Blick, mit dem der einbeinige Ortwin sie bedacht hatte. Und alle anderen, die glaubten, sie könne Wunder vollbringen. Lenas Magen zog sich schmerzhafter als sonst zusammen. Nie zuvor hatte sie ein solches Leiden gesehen, geschweige denn gelindert. Die Worte der ehrwürdigen Mutter fielen ihr wieder ein. Ärzte und Priester waren hier gescheitert. Im Geiste hörte sie wieder die Stimme des Grafen. Ihre Kunst sei seine letzte Hoffnung.
    Niemand bemerkte ihr stummes Gebet an die Mutter Gottes, in das sie ihr ganzes Vertrauen legte: Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin.
    Da hörte sie Schwester Ludovikas Stimme, so voller Kraft und Zuversicht. »Frau Helena wird der Gräfin Frieden schenken. Gott wirkt durch sie.«
    Der Stein in Lenas Magen wurde noch schwerer. Zum ersten Mal kam ihr Ludovikas Zuversicht wie eine Bürde vor.
    Verschmähe nicht unser Gebet in unsern Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du glorreiche und gebenedeite Jungfrau.

2. Kapitel
     
     
    W as für ein Land!« Said schüttelte sich. »Kalt und unfreundlich, voll von Menschen, die noch nie einen Rechtgläubigen gesehen haben. Ja, nicht einmal dich betrachten sie frei von Misstrauen, und dabei bist du doch zur Hälfte einer von ihnen. Und schmutzig ist es hier. Da glaubt man noch, sie seien sauber bei den vielen Badestuben. Aber was finden wir? Verschimmelte Zuber, an denen man sich Splitter in die edelsten Körperteile reißt.«
    Philip lachte. »Du übertreibst wieder einmal maßlos.« Er kannte Saids Tiraden zur Genüge. Seit sie vor vier Monaten in Alexandria aufgebrochen waren, verging kaum ein Tag, an dem Said nicht irgendetwas zu beklagen hatte. Natürlich hatte der kleine Araber recht. Es war ein kaltes, unfreundliches Land, vor allem für einen Menschen, den eine Reise nie weiter als bis nach Sizilien geführt hatte. Nach und nach begriff Philip, warum sein Vater in Ägypten geblieben war. Wenn es nach ihm selbst gegangen wäre, hätte er Alexandria auch nie verlassen. Leider hatte das Schicksal es anders entschieden.
    »Ich übertreibe?« Said beugte sich auf seinem Fuchs vor und starrte Philip unverwandt in die Augen. »Seit Tagen reiten wir durch diese finsteren Wälder, nur selten gewährt uns jemand außerhalb der Dörfer Gastfreundschaft. Und wenn, dann dürfen wir für alles den doppelten Preis bezahlen.«
    »Ich meinte die Bäder. Ich habe gesehen, wie du der hübschen Bademagd nachgeschaut hast. Das sah nicht so aus, als seist du besonders gepeinigt.«
    Said schnaufte. »Weil ich kaum glauben mochte, wie unsittlich sie sich gebärdete. Aber ich blieb standhaft. Im Gegensatz zu dir.«
    »Was sollte ich tun? Ich konnte das schöne
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