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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel
Autoren: Charlotte Link
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Mädchen und erwachte aus seiner Bewußtlosigkeit, richtete sich auf und sah sich aus schreckgeweiteten, fassungslosen Augen um. Das Feuer erleuchtete die Nacht taghell, warf seinen glutroten Schein weit über den Himmel. Die beiden Frauen, allein mit den Flammen und dem Tod, starrten einander wortlos an.
    Später dann, als es von Menschen wimmelte, als Tina auf einer Bahre in einen Hubschrauber gebracht worden war, als sie den Toten, ein Tuch über sein Gesicht gebreitet, davontrugen, als Löschflugzeuge über dem Feuer kreisten und die Flammen unter dem Wasser kleiner wurden, fing Janets Verstand an, wieder zu arbeiten, und sie konnte zum erstenmal, seitdem sie darum gebettelt hatte, in die Hütte laufen zu dürfen, wieder sprechen.
    »Du hast nicht gesagt, daß du eine Waffe bei dir hast«, sagte sie zu Andrew.
    Andrew hatte in seinem langsamen, aber korrekten Französisch mit einigen Polizeibeamten gesprochen, die nötigsten Erklärungen abgegeben und seinen Scotland-Yard-Ausweis gezeigt. Nun hatte er sich wieder Janet zugewandt, die noch immer auf demselben Fleck saß wie vorher; ihr Schoß, ihre Arme und Beine waren verschmiert mit dem Blut ihres Sohnes. Ein Sanitäter hatte ihr eine Decke um die Schultern gelegt und ihr einen Plastikbecher mit heißem Kaffee in die Hand gedrückt. Andrew hielt ebenfalls einen Becher in der Hand, und Janet dachte: Sie geben einem Mörder Kaffee!
    Er kauerte sich vor sie hin, musterte sie voller Besorgnis.
»Ich bin Polizeibeamter«, antwortete er nun auf ihre Frage, »ich trage immer eine Waffe bei mir.«
    »Du warst hier nicht im Dienst.«
    »Aber ich wußte, daß es gefährlich werden konnte. Deshalb...« Er ließ den angefangenen Satz unbeendet. Er hatte sich gut im Griff, aber Janet konnte seinen Augen ansehen, wie bestürzt und verstört er in Wahrheit war. Er hatte auf einen Unbewaffneten geschossen, ohne abzuchecken, wie kritisch die Lage wirklich war.
    Wie stufen sie das ein bei der Polizei? fragte sich Janet. Bricht es ihm das Genick, oder sagen sie, das kann jedem passieren?
    Sie fröstelte. Andrew nahm ihren Arm. »Komm, ich bring’ dich zum Auto. Ein Beamter fährt mit uns. Sie wollen unsere Aussagen protokollieren.«
    Sie schüttelte seine Hand ab. »Faß mich bitte nicht an!« Schwankend kam sie allein auf die Füße, verschüttete dabei die Hälfte des Kaffees, merkte es aber nicht. Auch Andrew richtete sich auf. Plötzlich wirkte er älter, eingefallen im Gesicht und hilflos.
    »Janet.« Er streckte erneut die Hand nach ihr aus, zog sie aber unsicher wieder zurück. »Janet, es tut mir entsetzlich leid. Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Ich sah diesen Mann und dieses sich sträubende Mädchen... ich dachte, er nimmt sie als Geisel, er tut ihr etwas an...« Er hob hilflos die Hände. »Ich verlor die Nerven. Ich wußte, daß irgend etwas geschehen war, daß du Mario für sehr gefährlich hieltest, und als du seinen Namen riefst...«
    Sie starrte ihn an. Ein gurgelndes Geräusch kam aus ihrer Kehle. Im ersten Moment dachte Andrew, es sei ein Schluchzen, doch dann erkannte er entsetzt, daß sie lachte - ein hysterisches Lachen.
    »Janet!« sagte er beschwörend. Sie stand unter
Schock, sie bekam jeden Moment einen Nervenzusammenbruch.
    »Er war nicht gefährlich«, sagte sie, »er war nicht gefährlich. Der gefährliche von den beiden ist in der Hütte verbrannt. Der, den du erschossen hast, war unschuldig. Er war gut.«
    »Aber dann...« In Andrew keimte ein furchtbarer Verdacht. »Dann ist Mario verbrannt. Maximilian, der geheilt war, den du jetzt unschuldig nennst... den habe ich erschossen. Ich habe Maximilian erschossen.« Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Er wurde kreidebleich, als er den tragischen Irrtum sah, der sein Handeln ausgelöst hatte und mit dem Janet ein Leben lang würde leben müssen. »Du hast ihn verwechselt. Mein Gott, Janet, du hast den falschen Namen gerufen!«
    Sie lächelte wehmütig. »Nein«, sagte sie, »du irrst, wenn du glaubst, ich könnte meine Kinder je verwechseln. Es war Mario, den ich rief. Mario, den du getötet hast. Mario, der niemals irgend jemandem etwas getan hat.«
    Begreifen dämmerte in Andrews Augen - und neuer Schrecken. »Ich habe alles falsch interpretiert. Du hast nie Angst wegen Mario gehabt. Wir sind hinter ihm und dem Mädchen nur deshalb wie die Verrückten hergewesen, weil du die beiden finden mußtest, ehe Maximilian sie findet. Aus irgendeinem Grund wußtest du, daß er noch nicht
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