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Die Sünde aber gebiert den Tod

Die Sünde aber gebiert den Tod

Titel: Die Sünde aber gebiert den Tod
Autoren: Andrea Schacht
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ihren Bericht anzuhören. Er scheint über seine Hassliebe zu ihr nie hinweggekommen zu sein. Und nun bemerkte er, dass sie auf der völlig falschen Seite der streitenden Parteien stand. Auf der aus seiner Sicht falschen Seite, will ich sagen. Das Wissen, das sie ihm mitteilte, war in seinen Augen verderblich. Auch ihm wäre, mit seinem Wunsch nach Wiederherstellung der alten Ordnung, sehr daran gelegen, wenn der Erzbischof dem Rat der Stadt gegenüber keine Zugeständnisse machen würde. Rudgerus wird Frau Bettina sicherlich aufgefordert haben, ihm die Aufzeichnungen zu übergeben, aber möglicherweise hat sie bemerkt, welche Einstellung er wirklich hatte. Sie wird sich plötzlich bedroht gefühlt haben und versuchte, ihm zu entkommen. Das Kind war ihr dabei hinderlich, denke ich. Darum legte sie es auf ihrer Flucht hinter den Altar Eurer Kirche. Mitsamt dem Dokument, das sie in seine Windeln steckte. Wahrscheinlich hatte sie die Hoffnung, das Kind würde während der Messe, vor vielen Zeugen, gefunden. Damit hätte Rudgerus keine Möglichkeit gehabt, es an sich zu bringen.«
    »Das stimmt, Begine. Erinnere dich, Theo, Rudgerus war ausgesprochen erpicht darauf, das Kind höchstpersönlich in die Krankenstube zu tragen, und hat sich gegen den Vorschlag gewehrt, es mich zu den Beginen bringen zu lassen.«
    »Ja, das ist richtig.«
    »Gut«, fuhr Almut fort, »Frau Bettina ist ihm zunächst entkommen. Sie wird den Ausgang zur Brigiden gesucht haben, könnte ich mir vorstellen. Aber das Türchen kann man nicht ohne weiteres erkennen, nichtwahr? Vielleicht war es auch schon wieder verschlossen, und sie hat versucht, über den Hof zur Hauptpforte zu gelangen. Rudgerus muss sie dabei überwältigt haben. Ich glaube, mit einer Waffe hat er sie nicht getötet. Er ist ein kräftiger Mann, es wird ihm, zornig wie er war, durchaus gelungen sein, sie zu erwürgen. Doch das geschah in der Erregung. Es muss ihm hinterher klar geworden sein, dass er die Leiche verschwinden lassen musste. Eine Leiche, Verzeihung, die an einem auffälligen Mal im Gesicht für viele leicht zu erkennen gewesen wäre.«
    Der Ritter hatte eine steinerne Miene, doch die beiden anderen Männer hörten ihr aufmerksam zu und nickten beifällig.
    »Ich weiß, es klingt grausam, aber ich denke, er wird sie in Eure Küche geschleift haben. Dort gibt es Fleischerbeile und so weiter... Er hat ihr auch die Kleider ausgezogen und könnte sie in die Almosensammlung gegeben haben, die am nächsten Tag von dem Schellenknecht abgeholt werden würde. Hattet Ihr eine solche Lumpensammlung, ehrwürdiger Vater?«
    »Ja, die hatten wir, Frau Begine. Es waren wirklich nur Lumpen, alte, verschlissene Kutten, mottenzerfressene Decken und solche Dinge. Aber es wäre natürlich leicht gewesen, auch die Kleider der Toten in diesen Sack zu stecken.«
    »Doch was ich wirklich nicht verstehe, ist, warum die Leiche hier blieb, der Kopf jedoch am Rheinufer gefunden wurde. Zugegeben, es ist keine belebte Stelle gewesen, wo sich der Korb im Gebüsch, nahe am Wasser, befand. Derjenige, der ihn dort hinterlassen hat, wollte ihn vermutlich versenken, aber es hatte sich ja schon Eis gebildet, und so war das nicht ohne weiteres möglich. Aber wenn das Tauwetter einsetzt und der Rhein Hochwasserführt, wären die Überreste sicher fortgespült worden. Sollte es Rudgerus gewesen sein, der ihn dorthin gebracht hat, würde es bedeuten, dass er eigentlich das Gleiche auch mit dem Leichnam vorhatte, dann aber keine Zeit mehr fand, um ihn aus dem Kloster zu bringen. Könnt Ihr mir verraten, ob er in der Christnacht noch einmal das Haus verlassen hat?«
    Theodoricus schüttelte den Kopf.
    »Nicht mit meiner Erlaubnis. Doch nach der Messe hatte ich starke Schmerzen und ging sofort zu Bett. Er hätte natürlich noch einmal fortgehen können.«
    Plötzlich richtete sich Pater Ivo auf. Die Bewegung war nicht gut für ihn, und er wurde blass.
    »Ivo, was ist? Brauchst du Hilfe?«
    Besorgt sah der Abt ihn an.
    »Nein, nein, es geht schon wieder. Ich sollte diese ruckartigen Bewegungen vermeiden. Aber mir ist etwas eingefallen. In jener Nacht, als ich das Kind zu Euch brachte, Begine, traf ich bei meiner Rückkehr den Prior vor dem Tor. Er zischte mir etwas überaus Bösartiges ins Ohr, was irgendwie im Zusammenhang mit meiner Beziehung zu losen Frauen stand. Ich kannte ihn und seine gelegentlichen Anfälle überzogener Sittenstrenge und dachte mir nichts dabei. Ich dachte mir allerdings auch nichts dabei,
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