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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)
Autoren: Max Landorff
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dann tut sie das vielleicht in einem anderen als unserem Universum. Aber dann muss es auch in unserem Universum Spuren dieser Möglichkeit geben.«
    Sie hatte ihm erklärt, dass das Projekt »Casimir« es sich zur Aufgabe gemacht hatte, bei bestimmten großen Experimenten am LHC, dem weltgrößten Teilchenbeschleuniger, gewissermaßen als Trittbrettfahrer nach besonderen Spuren zu suchen – Spuren eines Teilchens, das Higgs Singlet genannt wurde und das theoretisch in der Lage war, in eine neue Raumzeitdimension zu springen. Mit Hilfe solcher Teilchen wäre es möglich, Botschaften in die Vergangenheit zu senden. Ein australischer Physiker hatte den Start des Projekts »Casimir« mit den Worten kommentiert, jetzt sei man endlich dabei, die Firewall der Erkenntnis zu durchbrechen.
    »Wir arbeiten im Bereich einer Pikosekunde, also einer Billionstelsekunde« hatte Frau Welterlin gesagt. »Aber die Medien machen daraus Zeitreisen und rufen allerlei Radikale auf den Plan, die entweder glauben, wir wollten die göttliche Schöpfung verändern oder in der Vergangenheit verlorene Kriege nachträglich gewinnen.«
    Auf ihrem iPhone hatte sie eine Reihe von Dokumenten gespeichert, die alle ähnlich aussahen, dasselbe Layout hatten: Man sah ein großes Foto, darunter stand ein Satz geschrieben. Verschiedene Bilder, doch immer der gleiche Satz. »So etwas bekomme ich seit Monaten zugeschickt«, hatte sie gesagt, während Tretjak auf dem Display durch die Dokumente blätterte, »als E-Mail, im Kuvert im Briefkasten, ins Büro, nach Hause, sogar in den Ferien kriege ich von Kurierdiensten solches Zeug gebracht.«
    Die Fotos zeigten schreckliche Dinge: die Leichenberge im Konzentrationslager Auschwitz, die brennenden Türme des 11. September, die Verwüstungen des großen Tsunami in Asien, den Reaktorblock von Tschernobyl, einen verkohlten Soldaten in der Wüste von Kuwait … Und darunter stand immer nur ein Satz: Don’t touch the past, you won’t survive. Fass die Vergangenheit nicht an, Du wirst es nicht überleben.
    Der Regler hatte die Menschen, die seine Dienste in Anspruch nehmen wollten, immer in einem bestimmten Lokal zum Abendessen getroffen. Aus seiner Sicht war es bei den Treffen immer nur um zwei Fragen gegangen: Warum ist diese Person hier? Und was genau will sie von mir? Manchmal war es den Leuten selbst nicht klar gewesen, und man hatte sie darauf bringen müssen. Tretjak hatte sich auf der Veranda immer wieder daran erinnert. Diese Physikerin schien eine Frau mit guten Nerven zu sein, nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, schon gar nicht durch ein paar anonyme Sendungen dieser Art.
    »Das ist alles nur der Rahmen, Frau Welterlin, nicht wahr?«, hatte er gesagt. »Sie waren damit sicher schon beim Werkschutz des Forschungszentrums und bei der Polizei. Worum geht es wirklich?«
    »Darum«, hatte sie geantwortet und weitere Bilder auf dem kleinen Display aufgerufen. Diesmal waren es Privatfotos, alle aus ihrem Leben, sie als Baby auf dem Schoß ihrer Mutter, als Schülerin bei einem Sportfest, als Rucksacktouristin in Griechenland, als Studentin auf einer Kokainparty, ziemlich desolat. 20, 30 Bilder. Darunter wieder der gleiche Satz: Fass die Vergangenheit nicht an, Du wirst es nicht überleben. »Ich habe keine Ahnung, wo jemand diese Bilder herhaben könnte. Manche kenne ich nicht einmal selbst«, hatte sie gesagt. Und ihm dann das letzte Bild gezeigt. Eine andere Frau, viel jünger, lachend vor dem Eingang zu einem Club.
    »Es gibt zwei Punkte in meiner Vergangenheit, auf die ich nicht stolz bin und von denen niemand etwas weiß. Der eine ist auf diesem Bild. Ich habe keine Kinder, aber ich habe mal ein Kind geboren und es zur Adoption gegeben. Dies ist meine Tochter. Die das nicht weiß, die das auch nicht erfahren soll. Wer immer hinter diesen Drohungen steckt, er kommt mir sehr nahe. Ich habe Angst.«
    »Und der zweite Punkt?«
    »Darf unter gar keinen Umständen bekannt werden. Wenn Sie sich entscheiden mir zu helfen, werde ich es Ihnen erzählen.«
    »Und an diesem Punkt kommt mein Bruder ins Spiel?«
    »Nein. Ihr Bruder hat nichts damit zu tun.«

    Mittwoch, 4. Oktober. Es war noch einmal richtig warm geworden, beinahe 25 Grad. Unten am See herrschte noch Badebetrieb mit Gummibooten und Beachballschlägern. Man hörte das Gelächter als sanftes Rauschen bis in Tretjaks Küche. In den kommenden 58 Tagen sollte er sich noch mehrfach fragen, ob es eine Möglichkeit gegeben hätte, den Ereignissen zu
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