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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)
Autoren: Max Landorff
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zu bewusst und deutlich so getan, als hielte sie nach Tassen Ausschau. Sie hatte ihren eigenen Fehler bemerkt. Es war dieser Moment gewesen, der ihm das Leben gerettet hatte. Weil sein Gehirn damals die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nein, nicht die bequeme Abzweigung in Richtung der warmen Gefühle, der Begriffe wie Liebe und Geborgenheit. Nein, nicht so tun, als hätte man das eben nicht bemerkt. Sein Gehirn hatte den anderen Weg genommen, und der hieß: Adrenalin, Herzrasen, Misstrauen, eine sofortige Kehrtwende all seiner Gedanken und Pläne.

    Tretjak stellte die beiden Tassen Kaffee, den Zucker und die Milch auf ein kleines silbernes Tablett und trat wieder auf die Veranda. »Wenn Sie schon so viel wissen«, sagte er, »dann wissen Sie sicher auch, dass ich damals nur auf Empfehlung gearbeitet habe, auf persönliche Empfehlung. Und trotzdem die meisten Anfragen abgelehnt habe.«
    »Oh, das weiß ich«, entgegnete Sophia Welterlin, als er sich setzte. »Ich habe eine Empfehlung.«
    »Von wem?«
    »Ich habe versprochen, es nicht zu sagen.«
    Tretjak sah sie an. »Sehen Sie, Frau Welterlin«, sagte er, »selbst mit dem Regler von früher wären Sie so nicht zusammengekommen. Der hatte ein paar Prinzipien. Mit das wichtigste dabei war: keine Geheimnisse. Der Klient hat keine Geheimnisse vor mir. Ich kann in sein Leben nur eingreifen, wenn ich alles weiß. Entdecke ich ein Geheimnis, wird die Angelegenheit sofort beendet.«
    Sie führte die Tasse zum Mund und trank langsam ein paar Schlucke.
    »Was sind Sie von Beruf?«, fragte Tretjak, um das Thema zu beenden.
    »Die meisten, die mich das fragen, bereuen es hinterher bitter«, antwortete sie. »Bei Ihnen könnte es anders sein. Ich bin Physikerin, theoretische Physik, Quantenphysik.«
    »Frau Doktor Welterlin also«, sagte Tretjak.
    »Frau Professor Doktor Doktor, wenn Sie es ganz genau wissen wollen«, sagte sie.
    Unten an dem kleinen Hafen in Maccagno legte eine Passagierfähre ab. Die elegante »Alpino« mit ihren weißblauen Streifen auf ihrer nimmermüden Fahrt quer über den See. Oben auf der Veranda legte die Physikerin Sophia Welterlin ihr iPhone auf den Tisch. »Ich möchte, dass Sie sich etwas ansehen, Herr Tretjak, bitte.«
    Tretjak würdigte das Telefon mit keinem Blick, sondern sah ihr in die Augen. »Von wem haben Sie die Empfehlung?«
    Er spürte, dass sie überlegte.
    Schließlich sagte sie: »Wenn ich es Ihnen sage … Würden Sie es für sich behalten, unter allen Umständen?«
    »Sie können sich bei mir vielleicht nicht auf vieles verlassen, aber auf meine Diskretion schon«, antwortete er. »Von wem haben Sie die Empfehlung?«
    Diese Frau in der weißen Bluse, die hier hochgekommen war, ungebeten, unerwünscht, blickte ihn an und sagte mit fester Stimme: »Von Luca. Von Ihrem Bruder.«

    Gabriel Tretjak dachte nicht an den Geruch der nassen Badeanzüge, an seinen Traum aus der Zeit, als sein Bruder für ihn noch sein Bruder gewesen war. Gabriel Tretjak dachte daran, dass er es früher genauso gemacht hätte wie Sophia Welterlin. Sie hatte ihn ohne Vorwarnung in seinem Leben überrumpelt, und sie hatte ihn jetzt mit einer Information schockiert, abgefeuert aus der Hüfte, bei einer Tasse Kaffee. So ging man vor, wenn man schnell Wirkung erzeugen wollte. Vielleicht machte sie es instinktiv richtig. Er, Tretjak, hatte sich solche Taktiken früher erarbeitet, bei Verhörspezialisten, Verhaltenspsychologen, Gehirnforschern.
    Er überlegte, ob er ihr den Gegner zeigen sollte, der er sein konnte. ›Ich danke Ihnen für die Information, Frau Welterlin‹, hätte er sagen können. ›In diesem Moment ist unser Gespräch beendet. Trinken Sie in Ruhe den Kaffee aus und genießen Sie gern noch ein wenig die Aussicht. Sie verzeihen, wenn ich mich schon mal an die Arbeit mache. Es ist viel zu tun hier oben.‹ Stattdessen sah er sie schweigend an. Er spürte, dass sie genau diese Reaktion befürchtete: dass er abbrach, dass er sie wegschickte. Sophia Welterlin war keine Schönheit, jedenfalls nicht auf die Art, für die man diesen Begriff verwendete. Ihre Gesichtszüge waren ein wenig zu grob, bäuerlich konnte man sagen. Männer waren sicher kein besonderer Joker in ihrem Leben gewesen. Vieles, vielleicht alles von dem, was sie hatte, hatte sie sich erarbeitet, hatte sie sich selbst geschaffen. So sah sie aus. Aber sie sah auch so aus, als hätte sie dabei nie ihre Laune verloren. Sie strahlte etwas Zuversichtliches aus.
    »Mir wurde gesagt, wenn
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