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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen
Autoren: Alexander Köhl
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wurde zertrümmert.«
    Das war es also, weshalb Bruckners Blick so starr wirkte.
    Â»Wenn Sie mir keine Auskunft über mögliche Feinde Ihres Vaters geben können, dann lassen Sie uns doch bitte noch mal über seinen angeblichen Unfall reden. Wie haben Sie davon erfahren?«
    Â»Mutter hat mich vom Ferienhaus aus angerufen. Ich lag noch im Krankenhaus. In Houston war es später Vormittag. Am Telefon war Mutter unfähig, sich klar zu artikulieren. Sie stammelte mehr, als dass sie sprach. Dass Vater im See ertrunken sei und dass die Polizei auf dem Weg sei. Zwei Tage später war ich transportfähig und bin nach Deutschland geflogen.«
    Â»Und dann?«
    Â»Die Polizei hatte meine Mutter und die Angestellten befragt und war ziemlich schnell zu dem Schluss gekommen, dass es ein Unfall war. Vaters Leichnam wurde freigegeben, und wir setzten ihn bei. Als Alleinerbin bat Mutter mich, die Firmenleitung zu übernehmen.«
    Â»Haben Sie sonst noch Verwandte?«
    Â»Nur eine Tante. Sie lebt in einem Seniorenstift in der Nähe von Flensburg.«
    Â»Geschwister haben Sie keine?«
    Â»Nein, ich bin das einzige Kind meiner Eltern.«
    Das war Fremden mittlerweile auch. Seit der Sache mit Felix. Die Tragödie hatte sich vor dreiundzwanzig Jahren ereignet, an einem brütend heißen Sommertag. Seine Eltern hatten ihm aufgetragen, seinen acht Jahre jüngeren Bruder bei einem Freund abzuholen. Fremdens Mutter hatte es immer strikt abgelehnt, dass der siebenjährige Knirps allein mit dem Fahrrad durch den Wald fuhr. An der Eisdiele begegneten sie Sabine. Seiner Sabine. Er spendierte Felix ein Spaghettieis und verzog sich mit ihr auf eine Wiese, nur etwa hundert Meter von der Eisdiele entfernt. Als sie zurückkehrten, war Felix fort. Die Bedienung berichtete, er habe fürchterlich geweint und sei mit dem Fahrrad aufgebrochen. Zu Hause kam er jedoch niemals an. Hundertschaften der Polizei hatten die Wälder um Michelbach durchkämmt, Taucher die nahe gelegenen Seen abgesucht, und sogar »Aktenzeichen XY – ungelöst« hatte über den Vermisstenfall berichtet. Hinweise bekamen sie danach en masse. Ein Zeuge glaubte, Felix im Kreis einer bibeltreuen Sekte in Frankreich gesehen zu haben, ein anderer wollte ihm in Südamerika am Strand begegnet sein, der Nächste auf Rügen in einer Fußgängerzone. Doch bis heute gab es keinen einzigen verlässlichen Hinweis, dass Felix noch am Leben war. Mit Fremden, dem schwarzen Schaf der Familie, hatten seine Eltern von da an nichts mehr zu tun haben wollen. Kurz nach seinem achtzehnten Geburtstag war er von zu Hause ausgezogen. Und der Einzige, der ihm in den darauffolgenden Jahren die Stange gehalten hatte, war sein mittlerweile verstorbener Onkel aus Bad König.
    Â»Sie schauen auf einmal so nachdenklich«, sagte Bruckner und riss ihn so aus seinen Erinnerungen. »Ist alles in Ordnung?«
    Fremden bejahte.
    Â»Haben Sie noch weitere Fragen? Sonst würde ich mich wieder an meine Arbeit machen.«
    Â»Ja, es gibt da tatsächlich noch etwas, was mich interessiert. Was hat Sie bewogen, sich ausgerechnet an meine Detektei zu wenden?«
    Â»Ich befürchte, ich verstehe Ihre Frage nicht«, entgegnete Bruckner und fixierte ihn mit seinem gesunden Auge.
    Â»In Frankfurt gibt es einige Kollegen, die einen hervorragenden Ruf genießen. Da hätten Sie doch nicht extra zu mir in den Odenwald fahren müssen.«
    Â»Können Sie sich das wirklich nicht denken?«
    Fremden schüttelte den Kopf.
    Â»Sagt Ihnen der Name Bruckner denn nichts?«
    Â»Um ehrlich zu sein, auf Anhieb nein.«
    Bruckner legte den Gehstock beiseite und holte ein Stofftaschentuch aus der Hosentasche. Nachdem er sich damit einen Tropfen von der Nase gewischt hatte, sagte er: »Kurz bevor mein Vater starb, haben Sie doch für ihn ermittelt. In welcher Angelegenheit, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Meiner Mutter gegenüber hat er sich aber sehr lobend über Sie geäußert.«
    * * *
    Das Bellen hallte durch das gesamte Treppenhaus. Als sie den ersten Stock erreichten, war Mannfeld überrascht, dass die so gewaltig klingende Hundestimme einem Mops gehörte, der an der geöffneten Wohnungstür hinter den Beinen seines Frauchens aufgeregt auf und ab trippelte. Sie hoffte, dass das Grund zur Entwarnung gab. Ein Hund – und war das Tier auch noch so klein – konnte sich für Born rasch
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