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Die Stunde der Zaem

Die Stunde der Zaem

Titel: Die Stunde der Zaem
Autoren: Hubert Haensel
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hieß, den Kopf freiwillig auf den Richtblock zu legen.
    Lankohr begann, magische Formeln zu murmeln. Es fiel ihm schwer, sich an all die unaussprechlichen Worte zu erinnern, die Vergangenes wieder heraufbeschworen, die den Lauf der Dinge zwar nicht verändern aber doch sichtbar machen konnten.
    Er stockte, begann von neuem, unterbrach sich abermals.
    Wallender Dunst zog auf, der die Umrisse zweier Kämpfender erahnen ließ. Aber schlagartig verschwand die Erscheinung wieder, kaum daß sie begonnen hatte, sich zu festigen.
    »Mist!« schimpfte Lankohr inbrünstig. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren; es war ihm schon immer schwergefallen. Obwohl er durchaus die Fertigkeiten einer Hexe des sechsten oder gar siebten Grades besitzen konnte, hatte er diese Stufe der Vollendung nie erreicht. Zuviele andere Dinge spukten stets in seinem Kopf herum.
    Er mußte versuchen, sich wirklich zu konzentrieren, mußte alles Störende aus seinen Überlegungen verbannen.
    Tief atmete Lankohr ein. Dreimal tat er dies hintereinander und hielt jedesmal die Luft an, bis es vor seinen Augen zu flimmern begann. Dann glaubte er, endlich die nötige Ruhe zu haben.
    »Höre, großer Geist des Kampfes, vernimm mein Verlangen, mit dem ich vor dich trete. Ich, Lankohr, dein Meister, bitte dich um Beistand…«
    Er kam sich erhaben vor, wie er nacheinander die Dinge beim Namen nannte. Freilich, solch umständlicher Formulierungen hätte es nicht bedurft, wäre sein Verständnis für die Kräfte der Magie umfassender gewesen. Aber er mußte sich eben damit zufriedengeben. Für ihn war es schon ein nicht mehr zu überbietender Erfolg, daß erneut die Schatten der Vergangenheit aufwuchsen.
    Lankohr begann zu schwitzen. In Strömen rann ihm der Schweiß von der Stirn und brannte in seinen Augen. Indes wagte er nicht, die Lider zu schließen, um das Bild das Gewesenen nicht zu verlieren.
    Mythor und Burra hatten gerade erst ihren letzten, den entscheidenden Zweikampf begonnen. Die Amazone lachte noch, als sie stürmisch auf den Sohn des Kometen eindrang.
    Nicht ein Wort allein genügte, sondern es waren eine ganze Reihe ellenlanger Sätze nötig, um Lankohr die Umgebung zu zeigen, wie sie vor zwei Tagen gewesen war: Mehrere Maiden kamen heran, vom Klang der Waffen angelockt wie Motten von der offenen Flamme einer Kerze. In sicherer Entfernung verharrten sie und wurden sogleich von Burras Gefährtinnen bedrängt. Sie konnten Zaem also unmöglich herbeigerufen haben.
    »Geist des Verrats, zeige mir jene, die die schändliche Tat beging. Offenbare meinen Augen das Gesicht der Frau, die Mythor überantwortet hat.« Jäh verstummte der Aase. Ihm war der Name dessen entfallen, den er anrief.
    Coalzematl…?
    Oder Coalmazetl…?
    Nur einen von beiden durfte er nennen, wollte er nicht alles zunichte machen.
    Lankohr entschied sich für den ersteren. Er vertraute dabei auf sein Gefühl.
    Tatsächlich veränderte der Dunst seine Gestalt. Ein Mädchen wurde erkennbar, eine Aasin.
    »Heeva!« stieß Lankohr wütend hervor. »Ich wußte es, und ich werde dich finden, wo immer du dich verbirgst.«
    Wenn seine Befürchtungen den Tatsachen entsprachen, schwebte Mythor in größter Gefahr. Er mußte sich folglich beeilen, ehe es zu spät war.
    Aber wohin? Der Regenbogendom war groß und unübersichtlich. Unzählige Verstecke gab es, die man ohne die Hilfe einer Hexe niemals aufspüren konnte.
    Die Lichtinsel fiel Lankohr ein. Er schalt sich einen Narren, daß er nicht sofort daran gedacht hatte.
    Die Kriegerinnen Zaems, denen er auf seinem Weg in den hellen Kreis begegnete, beachteten ihn kaum.
    Lankohr redete mit sich selbst. Nicht, um sich Mut zu machen, wie mißgünstige Seelen behauptet hätten, sondern um etliche Mutmaßungen und Überlegungen zugleich bewältigen zu können. Er kam an mehreren Häusern vorbei, während das Licht ringsum sich erst rosa und dann orange verfärbte.
    Ein Gelb folgte, wie das der Sonne, die in diesen Breiten allerdings meist unter dem Horizont verborgen blieb. Der Schimmer war wohltuend und warm und verleitete zum Bleiben. Doch Lankohr hastete weiter. Nun war er dem Nabel der Welt nahe.
    Das Gelb wollte nicht weichen. Mindestens hundert Schritte machte der Aase, ehe er mißtrauisch wurde. Als er sich dann umsah, war vieles verändert.
    Da gab es keine Häuser mehr, und die Amazonen waren verschwunden.
    »Dein Weg ist hier zu Ende, Lankohr«, ertönte eine seelenlose Stimme.
    Er wirbelte herum und riß sein Schwert aus der
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