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Die Stunde der Zaem

Die Stunde der Zaem

Titel: Die Stunde der Zaem
Autoren: Hubert Haensel
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magische Kräuter oder Gewürze könnten den Speisen beigemischt sein?« Sie sah ihm zum erstenmal in die Augen, und Mythor hielt ihrem Blick stand. »Sei unbesorgt, das ist nicht der Fall. Ich werde aber nicht mit dir essen, denn ich habe geschworen zu fasten, bis der Deddeth die Erste Frau Vangas entweder freigegeben hat oder ihre Nachfolge gesichert ist.«
    »Du hungerst erst seit kurzem?« wollte Mythor wissen. Auf ihn machte Garwe keineswegs einen geschwächten Eindruck. Lediglich ihre Wangenknochen traten deutlich hervor.
    »Seit nunmehr fast eineinhalb Monden«, sagte die Hexe.
    Ungläubig schüttelte er den Kopf.
    »Wie kommt es dann, daß man dir nichts ansieht?«
    »Ich habe selbst keine Erklärung dafür«, gestand Garwe. »Es mag eine besondere Gabe Fronjas sein, die mich leben läßt, ohne zu essen und zu trinken. Vielleicht will sie uns damit beweisen, daß körperliche Bedürfnisse längst nicht alles sind, was uns in diesem Leben erhält. Vielleicht will sie damit auf ihre Art zu verstehen geben, daß wir nicht um sie trauern sollen, daß es auch nach ihrem Tode noch eine Zukunft für Vanga geben wird.«
    »Ist es nicht das, worauf Zaem anspielt?«
    Zögern erst, dann ein leises Seufzen.
    »Zaem kennt nur das Schwert. Du hast es erlebt, als sie zum Sturm auf den Hexenstern aufrief. Nun, ihre Kriegerinnen haben mittlerweile den Regenbogendom erobert, wenngleich es keineswegs leicht für sie war. Die Zaubermütter um Zahda haben dies zugelassen, um größeres Blutvergießen zu vermeiden. Etliche Häuser sind davon aber aufgenommen, die Amazonen bemerken überhaupt nicht, daß es sie gibt. Auch die Lichtinsel bleibt ihnen verschlossen. Die Magie erweist sich wieder einmal als stärker als jede Waffe.«
    »Wenn Fronja dir die außergewöhnliche Gabe des Fastens verliehen hat«, stellte Mythor nachdenklich fest, »muß zwischen euch eine Bindung besonderer Natur bestehen.« Er griff nach dem Krebs, den er vorhin aufgebrochen hatte und begann, die Scheren auszusaugen.
    »Warte«, rief Garwe und winkte eine der Maiden heran. »Die Jungfrau soll vor dir kosten, damit du beruhigt bist.«
    »Ich glaube dir«, lächelte Mythor und schickte die Maid mit einer Handbewegung wieder fort. Ihre Schönheit, die gleich einem Abbild Fronjas war, ließ ihn unberührt.
    »Du bist, wie Zahda dich schilderte«, sagte Garwe. »Vorsichtig, doch gleichzeitig voll des Vertrauens für Fremde, die deinen Weg kreuzen. Du suchst in jedem Menschen zuerst das Gute, selbst wenn er dir mit der Klinge in der Hand gegenübertritt.«
    »Wirklich?« machte Mythor spöttisch. »Bist du dir dessen so sicher?«
    »Du kennst dich selbst noch nicht, Sohn des Kometen. Wie hättest du ohne diese verborgenen Eigenschaften jemals deine Bestimmung erreichen können?«
    »Und du scheinst mehr über mich zu wissen, als du zugibst.«
    »Nur das, was die geheimen Gesänge der Zaubermütter sagen.«
    Mythor hatte sein Mahl nahezu beendet. Er griff nach einer Schale mit köstlichen blauen Trauben, deren Größe ihn verwunderte.
    »In manchen Gegenden Vangas wächst ein Wein, wie selbst die Götter ihn schätzen«, stellte die Hexe fest. »Es ist der vulkanische Boden, der ihn überaus gut gedeihen läßt.«
    Mythor lehnte sich zurück und unterzog Garwe einer eingehenden Musterung.
    »Reden wir lieber von Fronja«, sagte er. Ihm war aufgefallen, daß die Hexe stets geschickt auf andere Dinge ablenkte, um weitergehende Aussagen zu vermeiden. »Es gibt so vieles, was ich über sie wissen will.«
    »Du mußt deine Ungeduld bezähmen.«
    »Warum weichst du mir aus, Garwe?«
    »Ich vermeide nur, Dinge zu tun oder zu sagen, die ich später bereuen könnte. Zahda selbst wird dir alles erklären, sobald sie es für angebracht hält.«
    »Was, bei allen Weibern Vangas, darf ich nicht wissen? Jeder ergeht sich nur in Andeutungen und tut so geheimnisvoll, daß man meinen könnte…« Mitten im Satz brach Mythor ab und schüttelte den Kopf. »Es hat wohl tatsächlich keinen Sinn, wenn ich mich aufrege. Ich bin müde.«
    »Auch dafür ist gesorgt«, sagte Garwe. »Im Schlaf wird dir die Zeit bis zu Zahdas Rückkehr schneller vergehen. Und vielleicht benötigst du die Ruhe, die neue Kräfte schafft.«
    Sie führte Mythor in einen Raum, in dem das Licht gedämpft durch die Wände schimmerte. Eine geheimnisvolle Aura lag hier in der Luft, die schnell alle Anspannung vergessen ließ.
    »Ich muß allein sein mit meinen Gedanken und Gefühlen«, gab der Sohn des Kometen zu
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