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Die Stunde Der Vampire

Die Stunde Der Vampire

Titel: Die Stunde Der Vampire
Autoren: Carrie Vaughn
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einen anderen Song nicht mehr aus dem Kopf zu kriegen. Es ist keine perfekte Lösung, aber bei manchen Liedern ist jede Alternative besser.«
    Â»Was empfiehlst du?«
    Â»â€ºI think I Love You‹ von der Partridge Family.«
    Sie zögerte einen Augenblick und stammelte dann: »Oh. Oh … Mein Gott, nein!«
    Aha, ein Erfolg! »Hat es funktioniert?«, erkundigte ich mich lebhaft.
    Â»Ja, aber … bist du dir sicher, dass das nicht schlimmer als ›Muskrat Love‹ ist?«
    Â»Verrate du’s mir.«
    Â»Ich … ich weiß es einfach nicht!«
    Â»Nun ja, während du dir den Kopf darüber zerbrichst, mache ich mit der nächsten Anruferin weiter. Hallo Ellen. Worüber möchtest du dich unterhalten?«
    Â»Hi Kitty. Kennst du den Mythos von Orpheus?«
    Â»Orpheus«, sagte ich. »Der Barde aus der griechischen Mythologie, der in den Hades hinabgestiegen ist, und seine Musik war so machtvoll, dass er den Gott der Unterwelt überreden konnte, die Seele seiner verstorbenen Frau freizugeben. Ihm wurde gesagt, er könne sie an die Oberfläche führen, doch sobald er sich umsähe, um sicherzugehen,
dass sie ihm folgte, würde er sie für immer verlieren. Natürlich hat er zurückgeschaut. Es ist eine Geschichte über die Macht der Musik, aber es ist auch eine Geschichte über das Vertrauen.«
    Â»Ja«, sagte sie, und ich nahm Trauer in ihrer Stimme wahr, eine gewisse Unsicherheit. »Kitty, du redest immer von Mythen und Legenden, die ihre Wurzeln in der Wirklichkeit haben. Du sagst, dass die Geschichten manchmal wahr sind, wenigstens teilweise. Meinst … meinst du, dass das je geschehen ist? Dass Musik – oder irgendetwas sonst – so mächtig ist, dass es die Toten zurückbringen könnte?«
    Manchmal verblüffte es mich, was für tiefe Gefühle Menschen nur mithilfe ihrer Stimmen offenbaren konnten. Es gibt kein ausdrucksstärkeres Musikinstrument als die menschliche Stimme.
    Ich schloss die Augen, um mich für die Frage bereit zu machen, die ich gleich stellen musste. Wenn sie nicht darüber sprechen wollen würde, hätte sie nicht angerufen. »Wen hast du verloren, Ellen?«
    Â»Meinen Mann.« Ihre Stimme versagte ihr noch nicht einmal. Meine Anruferin war einfach nur benommen. Verloren. »Vor acht Monaten. Es war Krebs. Wir waren bloß drei Jahre lang verheiratet. Ich weiß, dass ich ihn nicht zurückholen kann, aber … Ich bin Musikerin. Flötistin, ich bin in einem richtigen Orchester. Nicht so gut, wie Orpheus gewesen sein muss …, aber die Frage stellt sich mir trotzdem. Die Musik ist stark genug gewesen, uns das erste Mal zusammenzubringen. Vielleicht könnte sie ihn zurückholen. Wenn ich die Chance hätte, wenn ich glaubte, dass ich dazu in der Lage wäre, würde ich es versuchen.«

    Ich rieb mir das Gesicht und zwickte mich in die Nase, um die Tränen zu unterdrücken. Ab und an kam das vor: Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Nichts, was ich sagen konnte, wäre passend.
    Â»Vielleicht gehen nicht alle Geschichten auf eine wahre Begebenheit zurück. Ich glaube, viele nehmen als Wünsche ihren Anfang. Der Orpheus-Mythos nimmt etwas Machtvolles, das wir können – Musizieren – und verwandelt es in etwas Machtvolles, das wir gerne könnten. Beispielsweise unsere Lieben zurückholen. Ellen, ich weiß, dass das jetzt abgedroschen klingt, aber ich wette, dass ein Teil von ihm, ein Teil seines Geistes, jedes Mal durchscheint, wenn du spielst.«
    Â»Ich … ich glaube das auch. Aber manchmal reicht das nicht. Kitty – wenn es mich getroffen hätte, wäre mir das egal gewesen.«
    Â»Ich weiß.«
    Es war schrecklich schlechtes Timing, aber die Studiotür ging auf und ließ einen gewaltigen Lärmpegel von draußen herein.
    Der Aufnahmeleiter im Regieraum winkte manisch und rannte hinaus, um zu versuchen, die Leute draußen aufzuhalten.
    Ich nahm die Dinge, wie sie kamen. »Ellen, vielen Dank für deinen Anruf und dafür, dass du uns an deiner Geschichte hast teilhaben lassen. Ich spreche ganz sicher nicht nur für mich, wenn ich dir sage, dass ich an dich denke und dir mein Beileid ausspreche. Wir machen jetzt eine Pause für die Station-ID.« Ich warf Ellen aus der Leitung und drehte mich dann zur Tür.

    Da waren sie also und drängten in das Studio, ihre Instrumente im Schlepptau.
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