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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fünfzehn Jahre, in denen ich die Wüste lieben und hassen lernte.
    Klingt nicht schon das nach Irrsinn? Lieben und hassen?
    Aber wer die Wüste kennt, wird wissen, daß auch dieser Haß nur Liebe ist.
    Ich erhob mich schnell, so ruckartig, daß Amar Ben Belkacem zusammenzuckte. Sein Gesicht lag jetzt im Schatten, ich konnte seine Augen nicht sehen, aber ich ahnte, daß er mich anstarrte. »Wie ich Sie kenne, Doktor, möchten Sie mich jetzt umbringen«, sagte er plötzlich.
    »Nein. Dazu fehlen mir alle Mittel oder auch bloß der Mut. Neben Ihnen liegt Ihr Gewehr – ich hätte es längst ergreifen und auf Sie anlegen können. Ich bin vielleicht feig, Amar, feiger, als Sie denken.«
    »Oder ist es Klugheit? Denn was wäre mit meinem Tod für Sie gewonnen?«
    Ich wandte mich ab und ging den Pfad zu meiner Höhle hinauf. Ich blickte nicht zurück zu den Feuern und den gestreiften Zelten, ich wollte auch die Pracht der Sterne nicht mehr sehen und die unvergleichliche stille Majestät der nächtlichen Wüste. Irgendwo zwischen den Zelten begann plötzlich ein Araber zu singen, ein Tamtam begleitete ihn. Eintönig schrill und dann wieder wie ein Wimmern durchbrachen die Laute das Schweigen der Nacht.
    Ich kroch in meine feuchte Höhle und fror. Eingewickelt in zwei dicke Decken rollte ich mich auf den Teppich und zwang mich, die Augen zu schließen.
    Morgen wird es weitergehen. Nach Bir-Adjiba.
    Ach Gott, ist es nicht gleichgültig, wohin es geht?
    Überall ist Sand. Überall brennt die Sonne.
    Dazwischen liegen einsam die Oasen wie Inseln im weiten Meer.
    Palmen, weiße, flache Häuser, ein Brunnen, ein Flußbett, ausgetrocknet, voll gebleichter, abgeschliffener Steine.
    Und überall ist Wüste.
    Dann schlief ich ein.
    Heute rast der Sturm wieder um die Felsen. Der Sand fliegt bis in meine Höhle, die Luft ist satt von Staub. Die Kamele knien im Schutz der Felsen in kleinen Schluchten, die Zelte zittern unter dem Anprall des Sandes.
    Wer wird einmal die Blätter finden, die auf meinen Knien liegen? Wird sie jemals einer lesen und sich erinnern, wie die Welt im Jahre 1957 ausgesehen hat? Wenn es morgen nach dem Sandsturm weitergeht nach Bir-Adjiba, werde ich die Blätter an einem Brunnen unter Steinen vergraben oder in einer Oase unter eine Palme legen.
    Ich fühle, daß ich nichts mehr auf dieser Welt bin, nur ein Sandkorn noch in der Sahara, ein Stäubchen aus der Wüste, das der Wind vor sich herbläst.
    O mein Gott, hätte ich dieses Land doch nie gesehen!
    In einem der hohen Häuser in der Wilmersdorfer Straße lagen die Büroräume der ›Transatlantik‹. Es war ein neues Unternehmen und in Berlin nur wenigen bekannt geworden durch eine nicht allzu auffällige Anzeige, die in einigen Tageszeitungen erschienen war: »Die Künstleragentur Transatlantik sucht noch für die Zusammenstellung von Tourneen nach Südamerika, Nordafrika und Nordamerika begabte junge Tänzerinnen und Artistinnen (auch Anfängerinnen) bei guter Gage und freier Überfahrt. Meldungen täglich zwischen zehn und zwölf Uhr bei ›Transatlantik‹, Baron Ewald von Pertussi, Wilmersdorfer Straße, B.-Charlottenburg.«
    Ein Vermittlungsbüro mehr in der Riesenstadt – wem fällt es schon auf? Der Straßenverkehr flutete an dem kleinen Goldschild am Haus in der Wilmersdorfer Straße vorbei – der Milchmann stellte seine Flaschenmilch vor die Tür, der Brötchenjunge füllte die kleinen Leinensäcke, die an den Klinken hingen, der Briefträger ächzte ein wenig, wenn er vier Stockwerke hochsteigen mußte, um die spärliche Post abzugeben, und zweimal in der Woche erschien eine alte, dicke, etwas kurzsichtige Putzfrau und schrubbte die drei Büroräume der ›Transatlantik‹ mit einer schnellen Verbissenheit.
    Um neun Uhr morgens erschien dann Baron von Pertussi, ein schlanker, großer Mann Mitte der Vierzig, mit schwarzen, etwas auffällig pomadisierten Haaren, einem eleganten Maßanzug und hellen Schweinslederhandschuhen, warf seine Aktentasche auf den Tisch des Zimmers Nr. 3, an dessen Tür das Schild ›Direktion‹ klebte, blickte in die Maschine der Stenotypistin, die seit acht Uhr die Diktate schrieb, die ein Diktiergerät monoton herunterrasselte, und schob die Unterlippe etwas vor. »Etwas Neues, Fräulein Dora?« fragte er dann.
    Und wie jeden Morgen blickte Dora Bader auf und schüttelte den weißblonden, mit Wasserstoff gebleichten Kopf. »Nein, Herr Baron. Die Post liegt auf Ihrem Tisch.«
    »Danke.«
    Es konnte vorkommen, daß man
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