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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hinunterging, an der Tür des Hauses stehen blieb und Koransuren murmelnd an der Tür horchte, rannte der Junge auf Seitenwegen aus der Stadt zu den Grabstätten, wo noch immer die beiden Pilger im Schatten einiger Oliven saßen und auf ihn warteten.
    Dr. Handrick zögerte, dann stieß er die Tür auf und betrat den Innenhof. Eine dicke Araberin kam ihm keifend entgegen und schrie ihm Verwünschungen ins Gesicht. Er hob bettelnd die Hand und murmelte den Singsang der Bettler, wie sie an den Märkten auf der Straße sitzen. Dabei senkte er das Gesicht, um seine blauen Augen nicht zu zeigen, die das einzige waren, was ihn verraten konnte.
    Die Alte wandte sich um und schrie ein paar Worte. Ein großer, schlanker Araber in einem seidenen Haikh trat in den Hof und musterte den abgerissenen Pilger. Er trug den linken Arm in einer Binde und hatte an der Stirn ein breites Pflaster. Das ist er, durchfuhr es Dr. Handrick. Das muß er sein; nach den Meldungen des Militärs gibt es gar kein Verwechseln. Amar Ben Belkacem. Ich habe nicht vergeblich gesucht.
    »Allah sei mit dir und deinem Haus!« sagte Dr. Handrick leise. Dabei verbeugte er sich tief und blieb in dieser Haltung stehen. Der Araber antwortete nicht. Vor Handricks Füße flatterte ein Hundertfrancsschein, eine Tür klappte, und er war allein in dem Hof. Schnell bückte er sich, hob beide Arme, als wolle er das Haus segnen, und verließ dann den Hof. Auf der Straße sah er sich genau um, damit er das Haus in dem Gewirr der Häuser wiederfand. Er merkte sich einige Merkwürdigkeiten: eine verwachsene Palme hinter einer verfallenen Mauer, ein Felsengebilde, das wie ein Fuß aussah, ein Haus mit einem heruntergebrochenen Balkon, ein Dach, an dem eine lange Stange befestigt war.
    Er sehnte die Nacht herbei, die kalte, sternenbestickte Wüstennacht, in der er am Ziel seines Wunsches stehen konnte oder am Anfang eines grausamen Endes in den Händen Amar Ben Belkacems.
    Dr. Handrick saß drei Stunden im Schatten der großen Moschee. Einmal betrat er sie, wusch sich die Füße und stand auf den geweihten Bastmatten, warf sich nach Osten auf die Erde und berührte mit der Stirn den Boden. Dann betete er leise, wie die vielen anderen Pilger, die Suren des Korans; aber seine Blicke wanderten dabei unruhig in dem riesigen Gebetsraum umher und tasteten die Pilger ab. Ein großer, kräftiger Araber fiel ihm auf. Er lehnte an einer Säule und beobachtete die Betenden. Sein Gesicht war wetterhart und kantig, seine Djellabah schneeweiß und reich verziert. Unter dem Saum schauten die goldenen Spitzen nach oben gebogener Pantoffeln hervor. Seine Augen glitten über die Betenden.
    Dr. Handrick schauderte zusammen.
    Blaue Augen. Ein Araber mit blauen Augen.
    Er hatte nie von Sidi Mohammed Ben Scheik el Mokhtar gehört, von dem unbekannten, geheimnisvollen Führer der arabischen Nationalisten in den rauhen Bergen des Hoggars. Aber diese blauen, stechenden Augen sagten ihm alles; sie bedeuteten Gefahr. Instinktiv fühlte er, daß der stumme Mann an der vergoldeten Säule sein Feind war. Da beugte er sich wieder vor und betete, verließ den Raum, zog seine zerrissenen Schuhe an, die er bei einem Trödler auf dem Markt von Bou Saâda gekauft hatte, und verließ schnell die Moschee.
    Sidi Mohammed beachtete den armen Pilger nicht, er starrte auf einen Mann in der Mitte des Gebetsraumes, auf einen jungen, kräftigen, braunen, glattrasierten Mann, der wie die anderen seine Koransuren herunterleierte.
    Die schmutzige Djellabah hüllte seine Gestalt ein. Auf dem Kopf saß der Turban, tief ins Gesicht gezogen. In dem ungewissen Licht, das durch die bunte Glaskuppel in den weiten Raum flutete, war er nicht anders als die anderen Pilger. Und doch hatte er etwas an sich, was Sidi Mohammed auffiel. War es eine falsche Bewegung beim Gebet? War es sein gepflegtes Aussehen trotz des Staubes, der ihn überzog? Er starrte den Betenden an und ging ihm langsam nach, als er wie Dr. Handrick die Moschee verließ und durch die Straßen der Stadt ging. Ein kleiner Junge, ein Mischling, erwartete ihn draußen auf dem Platz und schloß sich ihm an.
    Grandtours sah Ferrai an und lauschte dabei nach hinten auf die Schritte, die ihnen folgten. »Hast du den großen Mann gesehen, der uns folgt?« fragte er.
    »Ja. Er hat blaue Augen.«
    »Es ist Sidi Mohammed! Wir sind am Ziel, Ferrai.«
    Erschrocken sah Ferrai zu Grandtours auf. »Er ist der Teufel, Herr! Er hat allen Europäern den Tod geschworen. Hat er dich in
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