Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
der Moschee gesehen?«
    »Ja.«
    »Und er hat dich erkannt?«
    »Ich glaube nicht. Aber er verfolgt uns.«
    Ferrai begann zu zittern. Grauenhafte Angst lag in seinen großen, kugeligen Augen. »Er wird uns töten, Herr. Dich, mich und den Doktor!« Er tastete nach Grandtours' Hand. »Komm, laß uns zu den Gräbern rennen. Dort kann er uns nicht töten. In den Gassen hört uns keiner, wenn er uns anfällt! Komm, Herr.«
    Sie gingen schnell über den heiligen Platz, um das Kloster der rahmanischen Bruderschaft herum, und wandten sich der breiten Straße zu, die den Berg hinabführte. Die Schritte hinter ihnen verloren sich. Sie eilten zu den Gräberfeldern zurück und schlugen einen Bogen, um Dr. Sievert nicht zu verraten, der unter den Oliven lag und fror, geschüttelt von dem Fieber, das seinen Körper auslaugte.
    Sidi Mohammed Ben Scheik el Mokhtar lehnte an der Mauer, die die Straße gegen den Abhang abschirmte, und sah den beiden nach. In seinen blauen Augen stand eine quälende Ungewißheit. Er wandte sich erst ab, als die beiden hinter den Scheunen des im Tal liegenden Gutes verschwanden.
    Dr. Handrick saß außerhalb der Stadt unter einer breiten Zeder und aß aus einem Beutel einige Stücke kaltes Fleisch. Wenn Pilger vorbeikamen, senkte er den Kopf und schob bettelnd die Hand vor. Er hatte große Angst, daß man ihn als Europäer erkannte, und er kroch im Staub herum und erniedrigte sich zum Tier, um das Ziel seiner Liebe zu erreichen.
    Dr. Sievert sah Grandtours und Ferrai entgegen, als sie atemlos bei ihm ankamen. »Ihr habt sie gefunden?« fragte er schwach.
    »Ja. Amar Ben Belkacem und Sidi Mohammed Ben Scheik el Mokhtar sind bei ihr.«
    »Mein Gott.« Es war ein Schrei, der aus der Kehle des Fiebernden drang. »Warum muß ich jetzt krank sein?«
    »Sie wird streng bewacht. Ich habe mit einem der Wächter gesprochen. Er sagte, er komme aus dem Süden, Herr«, sagte Ferrai.
    »Wie sah er denn aus?«
    »Groß, schlank. Mit einem dreckigen Bart, Herr.«
    »Den müssen wir zuerst überwinden.« Grandtours setzte sich und sah zu der Stadt hinüber. Seine Augen waren wie Schlitze. »Wenn es doch bald Nacht wäre«, sagte er leise. »Wenn wir bloß nicht wieder zu spät kommen.«
    Und die Nacht kam.
    Die Steine waren blaß, wie hinter einem Gazeschleier. Der Mond war versteckt. El Hamel lag als dunkler Fleck auf dem Felsen. Kein Licht drang durch die fahle Finsternis.
    In den Bergen, am Rand der kleinen Oasen auf dem Weg zur heiligen Stadt, heulten die Hyänen und Schakale.
    Dr. Handrick lag auf dem schmutzigen Dach des Hauses. Unter sich, durch die Decke, hörte er Stimmen aus dem Inneren des Hauses. Er hatte seinen weißen Leinenanzug an mit den dicken braunen Schuhen. Um den Kopf trug er noch den Turban des Pilgers. Aus der Djellabah hatte er lange Streifen geschnitten, sie aneinandergeknotet und sich mit diesem improvisierten Seil von der Felsnase auf das Dach hinabgelassen. Nun lag er still und flach auf dem Haus, während ein Wächter ahnungslos rund um das Gebäude ging und auf jeden Laut der Nacht achtete. Im Innenhof lehnte noch immer die Leiter. Es war leicht, sie hinabzusteigen und in das Haus zu stürmen. Aber dieser einfache Gedanke war sinnlos, weil er nicht wußte, wo man Hilde verborgen hielt, im Haus oder in den feuchtwarmen Kellern. Auch war der Rückweg abgeschnitten, da der Wächter durch den Lärm im Inneren des Hauses aufmerksam werden mußte und andere Araber zu Hilfe holte.
    So lag Dr. Handrick hilflos auf dem Dach, nur durch eine dünne Decke von Hilde getrennt, und überlegte, was er weiter unternehmen sollte. Er war kein Held, er haßte Gewalt, er wollte die Menschen schonen, wollte befreien, ohne zu töten.
    In dieser Nacht drangen auch ein junger Araber und ein Mischlingsjunge in die heilige Stadt ein. Grandtours und Ferrai wählten den alten Pilgerweg, der sich den Berg hinaufwindet und an der weißen Zaouia des Marabut auf dem weiten Platz der Gläubigen endet.
    Grandtours hatte seine Pistole bei sich, ein langes Messer und einen dicken Strick, den er um seinen Leib gewickelt hatte. Beim Abschied von Dr. Sievert hatte ihm dieser die Hand gedrückt und ihm tief in die Augen geblickt.
    »Wenn ich es nicht mehr kann – Gott wird Ihnen danken, Grandtours«, sagte Dr. Sievert leise. »Er möge Sie beschützen.« Durch Ferrais Kraushaar fuhr er noch einmal mit seinen ausgezehrten Händen und lachte ihn mühsam an. »Mein Junge«, sagte er fast zärtlich. »Allein um deinetwillen würde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher