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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Provokation, wenn ein Weißer gefesselt durch die Sahara geschleppt wird? Warum liegen wir denn in der Wüste? Nur, um sinnlos zu schwitzen?«
    Prochaine winkte dem Boy. Er brachte zwei Gläser mit einem eiskalten Aperitif. Die Gläser waren von der Kälte beschlagen. Langsam zeichnete Prochaine mit dem Finger auf die beschlagene Fläche das Gebiet von Bir-Adjiba und sah sie stumm an. Plötzlich verwischte er die Zeichnung mit der Hand und stürzte das Getränk hinunter. »Wann wollen Sie aufbrechen, Grandtours?«
    »Ich dachte gegen zehn Uhr abends. Wir können dann um drei Uhr morgens bei Bir-Adjiba sein.«
    Prochaine nickte. »Bereiten Sie alles vor, Grandtours. Ich überlasse es Ihnen. Sie kennen den Wüstenkrieg besser als ich. Vergessen Sie aber nicht die Maschinengewehre und eine Kiste Handgranaten. Wenn Sie alles bereit haben, melden Sie es mir.«
    Grandtours nahm sein Käppi vom Stuhl und drückte es fest auf das schweißverklebte Haar. »Sofort nach meiner Rückkehr darf ich Ihnen den Erfolg melden, Herr Hauptmann?«
    »Melden?« Prochaine wandte sich ab und verließ den Raum. Aber noch im Hinausgehen sagte er laut: »Ich gehe selbstverständlich mit.« Mit einem Lächeln sah ihm Grandtours nach, wie er, unter der Hitze stöhnend, über den Platz ging, sehr schnell mit ausgreifenden Schritten, und im Kommandohaus in der Nähe des linken Torturmes verschwand.
    Durch das Tor zogen noch immer die kleinen, schwer bepackten Esel, angetrieben von den schreienden und mit Stöcken schlagenden Berbern, deren weite, schmutzige Djellabahs durch den Sand schleiften. Das Rot der Feze, die einige trugen, leuchtete in der Sonne. Kaum warfen die Körper Schatten auf den Boden, senkrecht brannten die Strahlen aus dem hitzefahlen Himmel.
    Grandtours öffnete noch einen Knopf seines Hemdes und schob das Käppi weit in den Nacken. Heute nacht, dachte er, während er den Rauch seiner Zigarette in die heiße Luft blies und verwundert sah, daß er stehen blieb und sich nicht bewegte, eine kleine Wolke im windstillen, brütenden Raum. Heute nacht werde ich Amar Ben Belkacem sehen, Amar, den großen Mann mit der Narbe unter dem Kinn, der Narbe, die mein Dolch in sein Fleisch schnitt, vor zwei Jahren, südlich von Ghardaia. Wir beide allein in der Wüste, und ich dachte, er hätte diesen Dolchwurf nie überlebt.
    Grandtours wischte sich über die Augen; sie waren starr in die Ferne gerichtet. Mit einem kurzen Blick sah er dann auf seine Uhr. Noch acht Stunden.
    In seiner Kommandostube saß Prochaine hinter einem Morseapparat und blickte auf den dünnen Streifen Papier, der klappernd aus dem Empfangsgerät rollte. Punkte, Striche, Punkte.
    Ein Funker sah von der Seite zu ihm hinüber. Prochaine hatte die Streifen in die Hand genommen und las sie mit gerunzelter Stirn. Er bemerkte Grandtours nicht, der ins Zimmer trat, sondern las die Meldung durch, während der Apparat ununterbrochen tickte.
    »Unangenehme Nachricht, Herr Hauptmann?«
    Prochaine fuhr herum. »Sie, Grandtours?« Er reichte ihm die Streifen hin. »Bitte, lesen Sie selbst. Aus Algier wird gemeldet, daß sich die Anzeichen von Sklavenhandel in unserem Gebiet vermehren. Weiße Sklaven, Grandtours. Mädchen aus Europa für die Tanzhäuser in den Oasen.« Er warf die Papierstreifen auf die Erde und steckte dann die geballten Fäuste in die Hosentasche. »Eine Schweinerei ist das, eine ganz verfluchte Schweinerei. Wir werden heute nacht die Nomadenlager kontrollieren.«
    Durch das Tor rollten zwei Wagen mit Legionären, die neue Patrouille, die am Abend zurückkommen mußte. Aus den engen, dumpfen Kasematten tönte der helle Klang eines Clairons. Der Trompeter übte für die Nacht.
    Grandtours lauschte auf diese Töne, er bog den Kopf etwas zurück und sah dann zu Prochaine hin. »Er übt das Sturmsignal«, sagte er leise.
    Prochaine nickte, während der Funker sich über seine Papiere beugte. Seine Hände zitterten. Er war noch neu in diesem Fort, erst sieben Tage in der Wüste und ein halbes Jahr bei der Legion. Er dachte an die krummen Dolche der Araber, an die Grausamkeit, mit denen Kämpfe in der Wüste ausgetragen werden. Er dachte an die neun vermißten Legionäre, an Peter, Franz, Ewald und Hugo, die vier Deutschen, die nicht zurückkamen aus der Sahara.
    Er hatte Angst, ganz gemeine Angst, der kleine Funker aus der deutschen Pfalz.
    Über den Zinnen des Forts III hing schlaff in der Sonnenglut die Fahne Frankreichs: die Trikolore.
    Eine Fahne, für die Amar Ben
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