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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen
Autoren: John Steinbeck
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ehemalige Besitzer sie zufällig zu Gesicht bekommen sollte.
Palace Hotel und Grillroom entwickelte sich. Die neuen Mieter saßen vor ihrer Tür und blickten über die Schienen, den Grasplatz, die Straße hinab in die Fenster des Western Biological. Nachts hörten sie die Musik, die aus dem Laboratorium kam. Ihre Blicke folgten Doc über die Gasse, wenn er bei Lee Bier holen ging. Und Mack sprach: »Dieser Doc ist ein feiner Kerl. Man müßte ihm einmal eine Freude bereiten.«

2. Kapitel
    Im Anfang war das Wort Gleichnis und Ergötzen, das in sich einsog und aufnahm Menschen und Schauplätze, Bäume, Pflanzen, Fabriken und Pekinesen. Und es wandelte sich ein jegliches Wesen und Ding in ein Dingwort und von da wieder zurück zum Ding. Nun aber war es eingesponnen und eingewoben in Phantasie. Und das Wort sog in sich ein die Straße der Ölsardinen, verdaute sie und spie sie aus. Da hatte die Straße den Schimmer der neugeborenen Welt und himmelspiegelnder Meere. Cannery Row...
Lee Chong ist mehr als ein chinesischer Krämer - vielleicht verlor er einmal sein Gleichgewicht und fand es wieder durch Gutsein -, ein asiatischer Wandelstern, schwebend in seiner Bahn gehalten durch die Anziehungskraft eines Lao Tse und ferngehalten von Lao Tse durch die Zentrifugalkräfte von Registrierkasse und Rechenmaschine, Planet Chong, der da kreist und sich dreht, auf- und untergeht zwischen Warenballen und Geistern, ein harter Mann vor einer Büchse Bohnenkonserven, ein weicher Mann vor seines Großvaters Gebeinen.
Lee Chong grub in einem Grab des Chinesenviertels und fand dort vergilbte Knochen und einen Schädel, an dem noch der graue Zopf haftete. Und er ordnete seinen Fund sorgsam, Unter- und Oberschenkel und Schienbeine in zwei Reihen, dazwischen Schädel, Becken und Schlüsselbeine im Kranze der Rippen, und verpackte es gut und sandte seinen zerbrechlichen Großvater über den Großen Ozean, auf daß er Ruhe fände in der von den Ahnen geheiligten Erde.
Auch Mack und die Jungens drehen sich freischwebend in ihren Bahnen. Sie sind die Grazien, die Reize, die Tugenden in dem verrückten Wirbel von Monterey, im Kosmos und Chaos der Staaten, darinnen Menschen in Hunger und Angst sich im Kampf um Nahrung und Sicherheit ihren Magen verderben und Leute, hungernd nach Liebe, alles rings um sich her zerstören, was liebenswert ist. Mack und die Jungens sind Grazien, Reize und Tugenden. In einer Welt, die beherrscht ist von schwärenbedeckten Panthern, benagt von Aaskäfern und blinden Schakalen, von brünstigen Bullen mißbraucht, speisen Mack und die Jungens köstlich mit Tigern, liebkosen die tollen Färsen und wickeln Brosamen ein, um die Seemöwen von Cannery Row zu füttern. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne und säße in deren Besitz mit einem Magenkrebs, Sodbrennen und Prostataschwellung! - Mack und die Jungens meiden die Fallen, machen einen Bogen um Gifte und steigen hinweg über Schlingen und Fallstricke. Und währenddem beschimpft sie eine Generation von vergifteten, eingefangenen, überfütterten Leuten und nennt sie Taugenichtse, Windhunde, Diebsgesindel, Stromer, Halunken, mit euch nimmt's noch ein böses Ende, ihr Schandfleck der Stadt! - Unser Vater, der du bist in der Natur und überleben läßt den Kojoten, die Wanderratte, die Schmeißfliege, den Spatz und die Kleidermotte, du mußt eine unermeßliche, überwältigende Liebe hegen für Taugenichtse, Schandflecke und Stromer und Mack und die Jungens, Tugenden, Grazien, Lässigkeit, Wohlbehagen.
Unser Vater, der du bist in der Natur...

3. Kapitel
    Lee Chongs Haus steht rechts von dem leeren Platz (warum er »leer« genannt wird, wo er doch voll ist von alten Kesseln, rostigen Röhren, Balken und ganzen Haufen weggeworfener Kanister, weiß kein Mensch), und dahinter sind oben die Bahngeleise, und höher noch kommt man zum Palace Hotel. Links aber stößt an den leeren Platz der imponierende Hurentempel von Dora Flood, ein sauberes, altmodisches, hochanständiges Etablissement, in dem man mit seinen Freunden ungestört ein Glas Bier trinken kann. Oh, das ist keine Neppbude, kein frivoles Stundenhotel, sondern ein gediegener, ehrenwerter Klub, gegründet, geführt und dirigiert von Dora, welche als Madam und Dirne seit fünfzig Jahren dank ihrer besonderen Begabung, ihrem ausgesprochenen Takt, ihrer Mildtätigkeit, Ehrlichkeit, langjährigen Erfahrung und Übung sich der Hochachtung aller Weisen, Intelligenten und Guten erfreut. Aus den gleichen
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