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Die Stimme der Jaegerin

Die Stimme der Jaegerin

Titel: Die Stimme der Jaegerin
Autoren: Thea Harrison
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bereitete den nächsten Bissen vor. Diesmal gab sie ein Stückchen Fleisch hinzu.
    »Ich nehme an, wir haben hier ein einfaches binäres Problem«, sagte sie. »Entweder – oder, ja oder nein. Nur ist es diesmal eine Frage von kann-nicht oder will-nicht.«
    Sie hielt ihm den Bissen hin. Er nahm ihn an, während er sie skeptisch und von Schmerzmitteln glasigem Blick beobachtete.
    »Ich weiß nicht, ob du deine Gestalt nicht wechseln kannst, oder ob du es nicht willst«, sagte sie. »Ich würde tippen, du kannst es nicht, weil du zu schwer verletzt bist. Du hast versucht, dich wie ein ganz normaler Hund zu benehmen, das habe ich gemerkt. Aber so zu tun als ob, wird dir nicht helfen. Wenn sich bis jetzt noch nicht herumgesprochen hat, dass du noch lebst, wird es bald so weit sein. Rodriguez weiß, dass du die Fahrt zum Tierarzt überlebt hast, und deine Reaktion von vorhin verrät mir, dass das nicht unbedingt etwas Gutes ist.«
    Sie bot ihm ein Stückchen Kartoffel an, das er nur ansah, woraufhin Claudia es wieder auf den Teller fallen ließ und ihm ein Stück Fleisch hinhielt. Vorsichtig nahm er es aus ihren Fingern und mühte sich mit dem Schlucken ab.
    »Das mit Rodriguez überrascht mich nicht«, fuhr sie fort. »Ich hatte den Eindruck, dass er irgendeiner Anordnung folgte. Alle moralischen Entscheidungen traf er aus der Situation heraus. Sollte er seine Waffe ziehen und dich erschießen? Welche Rolle spielte es, dass ich Zeugin war? Konnte und wollte er wirklich so weit gehen, mich ebenfalls umzubringen? Ich halte es nicht für einen Zufall, dass er mich angehalten hat, so kurz nachdem ich dich gefunden habe. Ich glaube, er hat nach dir gesucht. Vielleicht war er derjenige, der versucht hat, dich umzubringen. Aber irgendwie glaube ich das nicht.« Sie konnte sich nicht so recht vorstellen, dass Rodriguez den Hund lebendig am Straßenrand zurückgelassen hätte. Der Sheriff wirkte wie jemand, der die Wirkung einer wohlplatzierten Kugel kannte.
    Sie wog einen anderen Gedanken ab. »Vielleicht sollte dich jemand umbringen und hat es verbockt. Jemand, der dumm und gemein ist, könnte dazu fähig sein. Dann wurde Rodriguez losgeschickt, um den Auftrag ordnungsgemäß zu Ende zu bringen, nur dass ich dich vorher gefunden habe. Das klingt plausibel. Aber was treibst du eigentlich in Nevada, und warum sollte dich jemand umbringen wollen? Das werden mir logische Überlegungen nicht verraten, das kannst nur du, und du willst nicht reden. Es ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens, denn wenn du reden wolltest, könntest du es mir telepathisch mitteilen.«
    Als sie ihm das nächste Stück Fleisch reichte, schloss er die Augen. Der Hund sah vollkommen erschöpft aus, die Haut um seine Augen war eingefallen. Claudia zog sich der Magen zusammen. Sie klappte die Schachtel mit dem Essen zu und wischte sich die Hände an einer Servierte ab. »Okay«, sagte sie. »Für heute Abend hast du einen Freifahrtschein. Ich werde dich nicht drängen.«
    Er war ein Geschöpf, das zwei Wesen in sich vereinte, ein Angehöriger der Alten Völker. Wahrscheinlich war es herablassend und sogar beleidigend, ihn wie einen normalen Hund zu verhätscheln. Sie kämpfte mit sich und gab dann doch dem Impuls nach, noch einmal sein schön geformtes Ohr zu kraulen. Er reagierte mit einem tiefen Seufzen und schien sich ein wenig zu entspannen, als fände er ihre Berührung angenehm.
    Sie ging davon aus, dass er ihr jederzeit sagen könnte, sie solle aufhören. Das wäre eine Möglichkeit, ihn zum Reden zu zwingen: ihn so lange zu kraulen, bis er den Mund aufmachte. Während sie sein weiches Ohr streichelte, wanderte ihr Blick über den Boden, über ihre Beine, die sie an den Knöcheln gekreuzt hatte, und über den langen Körper des Hundes.
    »Goldstück, du bist ein ziemliches Riesenvieh«, sagte sie mit dem Anflug eines Kicherns. »Tut mir leid, dass dir nicht danach zumute ist, mir wenigstens deinen Namen zu verraten.«
    Sie war es müde, den Klang ihrer eigenen Stimme zu hören. Nachdem sie unterwegs auf dem Highway tagelang nicht gesprochen hatte, war es anstrengend, so viel zu reden. Sie verstummte und lauschte auf den Wind.
    Und in diesem Moment drang die fremde Stimme in ihren Kopf.
    Mit der Telepathie war es so eine Sache. Obwohl es eine rein mentale Angelegenheit war, wies das Gehirn verschiedenen Stimmen Eigenschaften zu, ganz so, als wären sie physischer Natur.
    Die Stimme, die Claudia hörte, war tief und männlich und hatte einen
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