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Die Stimme der Jaegerin

Die Stimme der Jaegerin

Titel: Die Stimme der Jaegerin
Autoren: Thea Harrison
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ganz interessante Dinge. Zum einen könnte sie ihre körperliche Kraft steigern, sodass sie den Hund vielleicht auf den Rücksitz heben konnte. Allerdings waren seine Verletzungen so schwer, dass sie ihn bei dem Versuch wahrscheinlich umbringen würde.
    Sie dachte an ihre.40er Glock. Die Pistole lag im Kofferraum, zusammen mit ihrem Koffer und der Campingausrüstung. Sie kannte die Wirkung einer gut gezielten Kugel, im Guten wie im Schlechten.
Ein Schuss, ein Toter,
wie der Scharfschütze in ihrer Einheit zu sagen gepflegt hatte. In diesem Fall wäre es ein Akt der Gnade gewesen, den Hund von seinem Elend zu erlösen. Der Tod konnte nur besser sein als dieses langsame, einsame Dahinsiechen in der Wüste.
    Ja, vielleicht wäre es das Gnädigste gewesen, ihn zu erschießen, und doch wehrte sich alles in ihr gegen diesen Gedanken. Sie schob den Unterkiefer vor. Wenn das Tier nicht starb, würde sie dafür sorgen, dass es … mit einem scharfen Blick stellte sie fest, dass der Hund männlich und unkastriert war. Es war ein
Er
. Sie würde dafür sorgen, dass
er
Hilfe bekam.
    Nachdem sie diese Entscheidung getroffen hatte, handelte sie schnell. Sie durchwühlte ihre Segeltuchtaschen mit den Campingutensilien im Kofferraum, bis sie die Bodenplane fand. Diese faltete sie so zusammen, dass der Hund darauf liegen konnte und noch genug Platz blieb, um die Ecken anzufassen. Dann legte sie die Plane neben dem Hund auf den Boden.
    Die nächsten zehn Minuten kamen ihr vor wie ein zweijähriger Kampfeinsatz. Die Qualen des Hundes waren wie ein Schwerefeld, das sie an sein Leid kettete. In winzigen, stechenden Körnchen peitschte ihr der Wind sengend heißen, weißen Sand ins Gesicht und auf die nackten Arme. An den Wundrändern hatte der Sand eine Kruste gebildet, doch als Claudia den Hund bewegte, öffneten sich die Wunden wieder. Leuchtend rotes Blut trat hervor und troff über die hellen Elfenbein- und Goldtöne des verkrusteten Sands. Normalerweise sahen diese beiden Farben wunderschön nebeneinander aus.
    Mit wahllosen aufmunternden Worten redete sie auf den Hund ein und trainierte ihr umfangreiches Vokabular an Schimpfwörtern, während sie ihre Bein- und Rückenmuskulatur sowie ihre Telekinese bis an die Schmerzgrenze belastete. Endlich schaffte sie es, ihn auf die Plane und dann auf den Rücksitz zu schieben.
    Im schlimmsten Moment öffnete der Hund die Augen und sah sie an. Die Intelligenz und der grelle Schmerz in seinem Blick bohrten sich wie Speere in Claudias Herz. Als sie endlich wieder auf den Fahrersitz sank, musste sie sich die Hände abwischen und die Augen reiben, bevor sie wieder klar genug sehen konnte, um den Motor anzulassen.
    Der Hund war nicht gestorben.
    Keine zwei Minuten später tauchte hinter ihr mit Blaulicht ein Streifenwagen der County Patrol auf.
    Claudia hielt am Straßenrand an, ließ das Fenster herunter und schob sich ihre Ray-Ban in die Haare, während sie einen grauhaarigen Mann in einer kurzärmligen braunen Uniform auf ihren Wagen zukommen sah. Gute Laune und Freundlichkeit hatten ihre Spuren in seinem scharf geschnittenen, lächelnden Gesicht hinterlassen. Mit einer Hand stützte er sich auf ihrer Tür ab.
    »Sie haben da einen ziemlich gut gepflegten Motor unter der Haube«, sagte er. »Ich habe Sie mit zweihundert Sachen erwischt.«
    Sie reichte ihm ihren New Yorker Führerschein und die Fahrzeugpapiere. Das Foto auf dem Führerschein zeigte eine hagere, sportliche, vierzigjährige Frau mit glatten, aschblonden, schulterlangen Haaren, grünen Augen, eleganten Gesichtszügen und einer leicht schiefen Nase, die sie sich damals in Kandahar gebrochen hatte. Der Blick des Mannes wanderte von dem Führerschein zu ihrem Gesicht.
    Sie sagte: »Wie Sie sehen, bin ich nicht aus dieser Gegend, und ich habe einen schwer verletzten Hund auf dem Rücksitz. Können Sie mir sagen, wie ich zur nächsten Tierklinik oder zum nächsten Tierarzt komme? Oder noch besser, können Sie vorausfahren und den Strafzettel anschließend ausstellen?«
    Mit flinken dunklen Augen sah der Mann auf den Rücksitz. Claudia konnte eine Veränderung in seinem Gesichtsausdruck beobachten. »Gehört das Tier Ihnen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Hab ihn vor ein paar Kilometern am Straßenrand gefunden.«
    Er blickte auf ihr schmutz- und blutverschmiertes T-Shirt und die Cargo-Hose. »Haben Sie ihn allein in den Wagen gekriegt?«
    »Ja.«
    »Wie haben Sie das geschafft?«
    Die Haut um ihre Lippen spannte sich. »Adrenalin,
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