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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)
Autoren: Clara Salaman
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schwer wie Blei und wollten ihm nicht länger gehorchen. Nutzlos baumelten sie im Wasser wie Treibholz. Mittlerweile war ihm die Kälte bis ins Mark vorgedrungen. Japsend und prustend strampelte er auf den Fender zu, bis er ihn zu fassen bekam, zog ihn zu sich heran und presste seine Wange gegen die feste, zerschrammte Oberfläche. Den Blick auf die zahllosen Kratzer und Flecken geheftet, fragte er sich, was das Auftauchen des Fenders für ihn bedeutete. Machte es das Sterben leichter oder schwerer?
    Etwas Weiches strich an seinen Beinen entlang. Er sah nach unten und entdeckte das dazugehörige Fenderseil. Mit klammen Fingern griff er nach ihm. Das Seil war an einem schweren Stück Stoff befestigt, das er an die Oberfläche zog. Ein erstickter Schrei drang aus seiner Kehle. Sein Herz schlug wie verrückt und verjagte für einen kurzen Moment die eisige Taubheit. Es war ihr Gebetsteppich, dunkel und schwer von all dem Wasser, aber es bestand kein Zweifel. Ein winziges Stück von ihr war zu ihm zurückkehrt. Ein Zeichen , hätte sie jetzt gesagt.
    Mit Fingern so steif wie Stahlstangen machte er sich daran, das Seil zu lösen. Seine klappernden Zähne entpuppten sich als wesentlich besser geeignet, also nagte er sich Zentimeter um Zentimeter daran entlang, bis der Teppich auseinanderfiel. Mühsam zog er ihn aus dem Wasser und wuchtete ihn über den Fender, dann schlang er sich das Seil um den Leib und versuchte verzweifelt, das andere Ende zu fassen zu bekommen. Umständlich fummelte er das eine Ende durch eine Öse. Als es ihm endlich gelungen war, die beiden Enden miteinander zu verknoten, damit er nicht herunterrutschen konnte, war es dunkel geworden und sein Körper wurde von unkontrolliertem Zittern geschüttelt.

1 der anfang

    Johnnys und Robs Dad hatte sie gebeten, die Mädchen im Auge zu behalten, während er in den Bootsladen nach Padstow fuhr. Eigentlich hatten sie der Bitte auch nachkommen wollen, aber dann hatte Rob vom Rettungsschwimmer am Strand Dope gekauft. Sie hatten sich auf eine der Dünen gesetzt, um in der Sonne einen durchzuziehen, und die Mädchen komplett vergessen. Als Johnny das letzte Mal nachgesehen hatte, waren sie zwischen den Felsen herumgeklettert und hatten Gott weiß was gespielt, was elfjährige Mädchen nun mal so tun.
    Johnny lag im weichen, heißen Sand und drehte einen Stein zwischen seinen Fingern hin und her, der wie ein Herz geformt war. Die Sonne brannte ihm auf den Rücken, während er mit Rob über die Vorzüge von Trimaranen im Vergleich zu Katamaranen diskutierte. In diesem Moment fiel sein Blick über Robs rechte Schulter auf Sarahs Freundin. Sie stand kerzengerade mit dem Rücken zum Meer auf der Düne, die Knie gebeugt, die Arme nach vorn ausgestreckt. Er fragte sich, was sie vorhaben mochte. Sie wirkte wie ein Tier, das zum Sprung ansetzte. Ihr Blick war fest auf das Dünengras vor ihr geheftet, dann warf sie sich zu seiner grenzenlosen Verblüffung – zugegebenermaßen war er reichlich stoned – in die Luft und vollführte einen perfekten Rückwärtssalto, wobei ihr anmutiger Mädchenkörper durch den blauen Himmel Cornwalls flog. Scheinbar mühelos landete sie am Fuß der Düne und machte einen kleinen Vorwärtssatz auf den nassen Sand.
    Johnny verschluckte sich am Rauch und begann zu husten. »Rob! Hast du das gerade gesehen?«
    Rob warf einen Blick über seine Schulter. »Nö.«
    »Sieh dir bloß mal Clemmie an!«
    Die beiden Brüder verfolgten, wie sie behände die Düne wieder erklomm. In ihrem blauweiß gestreiften Badeanzug glich sie einer von der Sonne geküssten Nymphe. Johnny registrierte den weißen Streifen Haut, wo der Stoff auf ihrem kecken Hinterteil ein Stück hochgerutscht war. Sie machte einen Satz zur Seite, um Sarah auszuweichen, die einen reichlich ungelenken Purzelbaum hinlegte.
    »Gleich kommt’s«, sagte Johnny zu Rob und stützte sich auf einem Ellbogen ab, sein neues Ziel fest im Blick: ihre kräftigen, gebräunten Arme und Beine und ihr kupferrotes Haar, das wild in der salzigen Brise flog. Wie um alles in der Welt kam es, dass er sie bisher nie bemerkt hatte? Selbst die Sonne schien sie heller erstrahlen zu lassen als bisher, so als sollte der Rest der Welt erfahren, dass sie etwas ganz Besonderes war. Bis vor zwei Minuten hatte sie noch nicht einmal für ihn existiert – natürlich kannte er sie seit Jahren, da sie schon häufiger in Cornwall gewesen war und mit seiner kleinen Schwester befreundet war, nur hatte er sie nie beachtet.
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