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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone
Autoren: James Jr. Tiptree
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Leroy schlug sich mit der Mütze aufs Knie.
    Sie traten in das goldene Licht hinaus und nahmen den Weg zur Bar und zum Restaurant. Gesellige Töne waren zu hören; zwei oder drei Stimmen riefen Leroy etwas zu. Er winkte. Die Bar war ein fröhlicher, von schwerem Holz getäfelter großer Raum mit einer Theke aus Eichenholz und Nischen, die sich allmählich füllten. Sämtliche Gäste waren eindeutig Fernfahrer, die meisten wirkten so groß und stark wie ihre Fahrzeuge.
    Amory kam sich in seinem dunklen Anzug mit Weste im Kreis der Freunde Leroys wie ein Eindringling vor. Im Kreis seiner imaginären Freunde, korrigierte er sich. Um Gottes willen, er durfte nicht vergessen, daß er ein Geist war, der in den Erinnerungen eines anderen Geistes lebte.
    Aber alles war so real, so überzeugend ... die Festigkeit, die Einzelheiten von Leroys geistiger Welt!
    Der große Fernseher zeigte etwas, das eindeutig ein Sportprogramm war. Aus dem Nebenraum kam Musik; die Leute dort schienen zu tanzen.
    Leroy steuerte sofort die Bar an. Amory folgte ihm.
    »Hallo, Leroy,«, sagte der Barmann, ein stämmiger Typ mit wenigem schwarzem Haar .
    »Zwei Helle«, sagte Leroy und klatschte seine Mütze auf den Tresen.
    Amory verspürte weder Durst noch Hunger. Er hatte überhaupt keine körperlichen Bedürfnisse. Aber das Bier sah verlockend aus. Er kostete es – es schmeckte köstlich. Also mußte sich etwas von Leroys Begeisterung auf ihn übertragen haben. Er nahm noch einen Schluck.
    Eine Frau kam aus dem Tanzsaal und kreiste wie eine Professionelle durch die Bar. Als sie keine Kunden fand, zog sie wieder ab.
    »Ist Dot heute abend hier?« fragte Leroy den Barmann.
    »Na klar.«
    »Warten Sie, bis Sie sie gesehen haben«, sagte Leroy zu Amory. »Oh – he, da ist sie ja!«
    Eine hochgewachsene, kurvenreiche Brünette kamgerade herein.
    »He, Dot! Dottie! Hier drüben!«
    »He, mein Mann!« Dot schwebte auf sie zu und schenkte Amory einen neugierigen Blick.
    »'n Freund von dir, Schatz?«
    »Yeah, er fährt mit mir. Ist aber kein Trucker.«
    »Das seh‘ ich auch.« Sie lächelte Amory an; ihre Augen waren fast mit den seinen auf einer Höhe. »Suchst du ihm 'n nettes Mädchen?«
    »O nein. Nein«, protestierte Amory. »Danke, nein; danke. Ich bin immer noch leicht durcheinander.« Sex mit einem Geist? dachte er. Unter gar keinen Umständen.
    »Okay«, sagte Leroy. Dot zugewandt, erklärte er: »Er wäre auf der einundneunzigsten fast überfahren worden.«
    »Dann wäre ein nettes Mädchen aber jetzt genau das Richtige für Sie, Mister.«
    Amorys Protest beendete die Sache schließlich. Dot trank ein Bier, und Leroy trank ein zweites. Er wirkte ungeduldig. Amory registrierte, daß hinter der Bar eine Treppe nach oben führte.
    »Da oben gibt's Zimmer«, sagte Leroy. »Sehr hübsche Zimmer ... He, Giorgio, gib uns einen Schlüssel, ja?«
    Er zog einen Hunderter hervor und bekam fünfundzwanzig zurück. Amory sah, daß Dot und der Barmann einen Blick tauschten.
    »Komm mit, Schätzchen.« Leroy schob Dot von der Bar weg.
    »Die langen Verlobungszeiten«, lachte Dot Amoryan, »gefallen mir am besten.«
    »Bis später.«
    Damit schob Leroy Dot zur Treppe. Es schien ihn nicht zu stören, daß er neben der Frau eine lächerliche Gestalt abgab. Sie war einen ganzen Kopf größer als er. Wie sein großer Truck, dachte Amory.
    Nachdem sie ihn alleingelassen hatten, spürte er die Pein des Verlassenseins. Je weiter das Paar nach oben in der Finsternis verschwand, desto schwächer schienen die Lichter zu werden. Die Szenerie schien sich auf eine seltsame Weise zu verlangsamen, obwohl der Lärmpegel im Raum gleichblieb.
    Es war, als würde Leroys Welt hinter seinem Rücken schwächer, sobald er die Szene verließ. Würde sie verschwinden, wenn er sich zu weit entfernte? Von Panik erfüllt sah Amory den Barmann an. Er stand wie gelähmt da und schüttete etwas in ein Glas, das jedoch nicht überfloß.
    In einem Aufwallen von Angst, rannte Amory zur Treppe und rief: »He! He! Leroy!«
    Niemand hörte ihn. Er wollte seinen Ruf gerade lauter wiederholen, als jemand aus unmittelbarer Nähe in sein Ohr sprach.
    »Sind Sie von Sinnen, Mensch? Lassen Sie dem armen Gespenst doch sein Vergnügen.«
    Amory wirbelte herum. Der Mann, der ihn angesprochen hatte, saß allein an der Theke. Amory fielen seine scharfen schwarzen Augen auf.
    »Aber ... aber ...«, sagte er, in seiner Notlage völlig verwirrt. »Wer sind Sie?“
    »Erkennen Sie mich nicht?« fragte der
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