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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
Autoren: Charlotte Link
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Friedhof. Kommen Sie doch mit ins Haus.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich würde gern hier bleiben. Und ich möchte etwas wissen... Was wurde aus meiner Familie? Wie geht es Ambrose, Edward und Bess?« Sie sah hoch zu den leise raschelnden Zweigen der Bäume. Die Erwähnung der drei Namen ließ sie erschauern.
    »Sie haben in den zwölf Jahren nie etwas von ihnen gehört?«
    »Nie. Ich wollte auch nichts hören. Ich habe zu sehr unter ihnen gelitten, als daß ich über sie auch nur hätte nachdenken können. Ich wollte ihnen nie wieder erlauben, in mein Leben einzudringen, sei es auch nur durch Gedanken. Aber jetzt, wo Nicolas zurück ist, wo ich Sicherheit habe, jetzt konnte ich sogar hierher zurückkehren.«

    »Nun, Sie müssen sich keine Sorgen machen. Sie sind alle noch am Leben und gesund.«
    »Wie schön.«
    »Das Armenhaus allerdings steht leer. Vor fünf Jahren hat Edward geheiratet, eine ältliche Witwe aus Shadow’s Eyes. Ihr gehört ein kleiner Bauernhof, und dort leben sie nun. Ambrose auch.«
    »Als Bauern?«
    »Ja. Und sie arbeiten sogar. Mrs. Askew hat ihnen erklärt, daß ihr das Erbe ihres verstorbenen Mannes heilig sei, und daß beide Männer zum Teufel gehen könnten, wenn der Hof herunterkäme oder in Schulden geriete. Ambrose versicherte ihr, daß er das nie zulassen werde. Nun jagt sie ihn und Edward jeden Morgen noch vor Sonnenaufgang hinaus auf die Felder und erlaubt ihnen erst abends zurückzukehren. «
    »Und sie fügen sich?«
    »Widerspruchslos. Das Land ist klein und nicht besonders fruchtbar, aber sie können leben.«
    Mary dachte an den ewig betrunkenen Ambrose, wie er abends in der Küche herumgelungert und mit hungrigen Augen Lettice nachgestarrt hatte, und an Edward, vor dessen schlitzäugigem, kalten Blick sie sich immer gefürchtet hatte. Er hatte ihre Katze getötet, und diesen Schmerz aus ihrer Kindheit erlebte sie noch immer unvermindert heftig. In einer jähen Aufwallung von Haß begriff sie, daß sie weder ihm noch Ambrose jemals würde vergeben können.
    »Ich glaube nicht, daß ich Lust habe, sie zu sehen«, sagte sie, »aber ich werde Geld hierlassen, Pater. Sollte jemand von meiner Familie in Not geraten, dann geben Sie es ihm. Trotz allem, es ist meine Familie.«
    »Sie sind sehr großmütig.«
    »Ich versuche mich für alle Zeiten freizukaufen von ihnen. Wie geht es Bess?«
    »Bess kommt schon durch. Sie ist noch mit dem Metzger verheiratet, hat inzwischen acht Kinder bekommen, von denen ich fünf schon wieder beerdigt habe, und ist der Mittelpunkt jeder Intrige, die in Shadow’s Eyes gesponnen wird. Sie genießt es, zu tratschen, zu lästern und Verwirrung zu stiften.«

    »Dann scheint es ihr gut zu gehen.«
    »Sie ist keine sehr feinfühlige Natur, sie lebt auf eine primitive, launische, heftige Art. Ihr Mann schlägt sie und trinkt zuviel, und sie zahlt es ihm heim, indem sie ihn fortwährend betrügt und bestiehlt. Manchmal tobt sie mitten auf dem Marktplatz ihren ganzen Zorn heraus und schreit jedem entgegen, wie hoffnungslos sie ihr Leben verpfuscht hat, aber am anderen Tag ist sie heiter und überschwenglich, flirtet mit den Männern, hängt ihnen am Arm und lacht, als sei das Leben ein einziges, lustiges Spiel. Sie ist ihrer Mutter sehr ähnlich, aber weniger klug. Lettice war ebenso unberechenbar, stürzte beständig von euphorischem Glück in schwärzeste Verzweiflung und rappelte sich dann unversehens wieder auf. Bess ist vom gleichen Schlag. Und Edward ist wie Ambrose. Nur Sie, Mary, sind anders. Warum das so ist, werde ich bis an mein Lebensende nicht begreifen.«
    »Ich habe zu sehr unter meiner Familie gelitten, um ihr gleich sein zu können. Aber mein größtes Glück war Frederic. Durch ihn habe ich... das Gute kennengelernt und mich zeitlebens danach gesehnt. « Sie blickte auf das Grab hinunter, auf dem der Löwenzahn und eine stämmige Distel wuchsen.
    »Eines«, fügte sie leise hinzu, »habe ich jedoch mit den Frauen der Askews gemeinsam: Ich komme durch. Und ich rappele mich immer wieder auf.«
    »Das stimmt wohl«, meinte der Priester. Zum ersten Mal seit er sie kannte, ging ihm auf, daß er sich immer ganz unnötig um sie gesorgt hatte. Ständig war er in Angst um ihre Zukunft gewesen, dabei hätte er nie an ihr zweifeln müssen. An allen anderen Menschen in Shadow’s Eyes, aber nie an Mary Askew.
    »Kommen Sie doch jetzt mit hinein«, bat er noch einmal, »es gibt so vieles, was ich wissen möchte.«
    Mary, die auf einmal sehr erschöpft
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