Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die steinerne Pest

Die steinerne Pest

Titel: Die steinerne Pest
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
die
beiden Torpedos ihr Ziel verfehlten? Allein der Verdacht
war einfach absurd! Es mußte eine andere Erklärung
geben. Vielleicht ein technischer Fehler; eine Kleinigkeit,
die Trautman und Singh übersehen hatten. Es mußte
einfach so sein!
Die NAUTILUS richtete sich nun allmählich wieder auf.
Der Boden stand nicht mehr schräg, und er zitterte auch
nicht mehr so heftig wie noch vor ein paar Augenblicken,
und schließlich ging eine dumpfe, lang anhaltende
Erschütterung durch den Rumpf des Schiffes; wie ein
mächtiger Glockenton, der aus weiter Entfernung zu hören
war. Sie hatten auf dem Meeresgrund aufgesetzt.
Mike starrte auf das Fenster, obwohl er dort im Moment
gar nichts anderes sehen konnte als den matten Stahl der
geschlossenen Irisblende. Er bewegte sich nicht, und auch
die anderen verhielten sich ruhig. Alle warteten darauf,
daß Trautman wiederkommen und ihnen berichten würde,
ob er im Torpedoraum etwas entdeckt hatte.
Nach überraschend kurzer Zeit wurden draußen auf dem
Korridor wieder Schritte laut, und sie alle wandten sich
zur Tür. Aber es war nicht Trautman, der hereinkam. Es
war Serena - und als Mike sah, was sie in den Armen trug,
hatte er das Gefühl, von einem Blitz getroffen zu werden.
Es war Astaroth. Der Kater lag reglos auf ihren ausgestreckten Armen, mit weit geöffnetem, starrem Auge und
gebleckten Zähnen, die Vorderläufe weit ausgestreckt und
die Krallen gespreizt, als wäre er mitten im Sprung
versteinert worden. Der furchtbare Prozeß, der in der
vergangenen Nacht seinen Anfang genommen hatte, hatte
seinen Abschluß erreicht. Astaroth war zu Stein erstarrt.
Für ein, zwei Sekunden fühlte sich auch Mike wie versteinert. Die anderen schrien erschrocken auf und eilten
auf Serena zu, die den Kater langsam zum Kartentisch trug
und ihn darauf ablud; mit einem Geräusch, als ließe sie
tatsächlich einen zentnerschweren Steinbrocken auf die
Tischplatte fallen, aber Mike selbst war nicht fähig, sich
zu rühren. Erst als Serena ihre furchtbare Last abgeladen
hatte und schluchzend in Juans Arme sank, fiel die
Lähmung von Mike ab. Mit einem einzigen Satz war er
am Tisch und beugte sich über den Kater.
Er wagte es nicht, ihn zu berühren. Der Anblick brach
ihm schier das Herz. Astaroth lag da, als schliefe er; wie
es Katzen manchmal tun, mit offenen Augen und im
Traum irgendeine
Beute jagend, aber er schlief nicht. Sein Fell war grau
geworden, und das Leben war aus seinem Auge gewichen.
Was vor ihm lag, das war kein lebendes Wesen aus
Fleisch und Blut mehr, sondern eine perfekte Nachbildung
aus granithartem Stein. »Astaroth!« keuchte er. »Nein.
Nicht... nicht du!« Er bekam keine Antwort, und so
wiederholte er seine Worte in Gedanken, auf die lautlose
Art, auf die Astaroth und er sich über so lange Zeit hin
verständigt hatten, als wäre es das Selbstverständlichste
von der Welt. Astaroth! So antworte doch! Sag etwas!
IRGEND ETWAS! DU DARFST NICHT TOT SEIN!
Aber Astaroth schwieg. Wenn er seine Worte hörte, wenn
noch irgend etwas in ihm war, das fähig gewesen wäre, sie
zu registrieren, so war er auf jeden Fall nicht mehr in der
Lage, darauf zu reagieren. »Es... es tut mir so leid«,
flüsterte Ben hinter ihm. Von einem plötzlichen Zorn
ergriffen, fuhr Mike herum und wollte Ben anschreien und
ihm sagen, wohin er sich sein Mitleid stecken konnte.
Doch als er herumfuhr, erkannte er, daß die Worte gar
nicht ihm gegolten hatten, sondern Serena, die noch immer
in Juans Armen lag und heftig schluchzte.
»Mir auch«, sagte Juan. »Wirklich. Ich... ich wollte, ich
könnte etwas für ihn tun. «
»Was tut euch leid?« fragte eine Stimme von der Tür
her.
Mike sah auf und gewahrte Trautman, der aus dem
Torpedoraum zurückgekehrt war und offenbar etwas
gefunden hatte, was er triumphierend in der rechten Hand
hielt. Als er näher kam, schloß er jedoch rasch die Faust
darum und verbarg sie hinter dem Rücken. »Was tut euch
leid?« wiederholte er seine Frage. Niemand antwortete,
doch Ben und Juan traten beiseite, um Trautman einen
freien Blick auf den Tisch zu gewähren. Als Trautman
sah, was darauf lag, verfinsterte sich sein
Gesichtsausdruck noch mehr. Doch er sagte nichts,
sondern musterte den Kater nur einen Moment lang
stirnrunzelnd und sah sie dann alle der Reihe nach düster
an.
»Das ist furchtbar«, sagte er, »aber zugleich auch eine
deutliche Warnung. Nur für die, die mir bisher nicht
geglaubt zu haben scheinen, wie ernst die Lage ist. « Mike
zweifelte für eine Sekunde an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher