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Die steinerne Pest

Die steinerne Pest

Titel: Die steinerne Pest
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vor der Wahrheit zu verschließen:
Sie hatten diese Fahrt umsonst gemacht. Die NAUTILUS
war zum Wrack der TITANIC zurückgekehrt, aber das,
was sie gesucht hatten, war nicht mehr da.
    Er ging die kurze metallene Wendeltreppe zum nächsten
Deck hinauf und wollte sich nach links wenden, zum Bug
des Schiffes hin, wo seine und die Kabinen der anderen
lagen, drehte sich dann aber statt dessen in die
entgegengesetzte Richtung und betrat nach wenigen
Schritten den Salon des Unterseebootes, der ihren
gemeinsamen Aufenthaltsraum, die Bibliothek des
Schiffes, aber auch so etwas wie sein Gehirn darstellte:
Auf einem kleinen Podest im hinteren Teil des Raumes
befand sich eine ganze Ansammlung komplizierter
technischer Apparate und Gerätschaften. Mike wußte von
den allerwenigsten, wie sie funktionierten, aber sie hatten
in den gut drei Jahren, die sie sich nun an Bord der
NAUTILUS aufhielten, zumindest gelernt, die wichtigsten
davon zu bedienen. Sicherlich nicht perfekt, aber doch
hinlänglich genug, um das Schiff zu steuern und damit in
Bereiche des Ozeans vorzustoßen, die noch kein Mensch
vor ihnen gesehen hatte. In diesen Jahren war sehr viel
geschehen. Sie hatten nicht nur die NAUTILUS gefunden
und gelernt, damit umzugehen, Mike hatte auch erfahren,
wer er wirklich war, nämlich niemand anderer als der
Sohn des berühmten Kapitän Nemo und somit der legitime
Erbe nicht nur eines gewaltigen Vermögens, sondern auch
dieses Schiffes, das von den meisten Menschen nur für
eine Legende gehalten wurde. Er und die anderen, die
damals dabeigewesen waren, führten seither ein vollkommen neues, aufregendes Leben, ein Leben voller
Abenteuer und Gefahren, voller bizarrer Entdeckungen
und phantastischer Reisen, wie es sich jeder Junge seines
Alters wahrscheinlich erträumt hätte. Und trotzdem hatte
er manchmal das Gefühl, daß in diesem Leben etwas
fehlte. Er hatte zum Beispiel niemals wirklich seine Eltern
kennengelernt. Und es gab Tage, da wünschte er sich fast,
ein ganz normales Leben zu führen: zur Schule zu gehen,
eine Familie zu haben, Freunde und ein richtiges Zuhause,
kein Unterseeboot, das ruhelos über die Weltmeere fuhr
und nirgendwo länger als einige Tage vor Anker ging.
Diese Gedanken kamen ihm in letzter Zeit öfter. Meistens
verscheuchte er sie, denn sie erschreckten ihn. Vielleicht
wurde er aber allmählich erwachsen. Und vielleicht
begann er auch zu begreifen, warum ihm sein Vater
niemals erzählt hatte, wer er wirklich war. Wahrscheinlich
weil er dir sein eigenes Schicksal ersparen wollte, wisperte
eine Stimme in seinen Gedanken. Mike drehte sich herum
und blickte auf Astaroth herab, den einäugigen schwarzen
Kater, der vielleicht sein bester Freund hier an Bord war;
zumindest der einzige, der nicht nur mit ihm reden,
sondern tatsächlich seine Gedanken lesen konnte.
    »Hatte er recht damit?« fragte Mike. Woher soll ich das
wissen? Astaroth versuchte, ein menschliches
Schulterzucken zu imitieren, was bei ihm allerdings
einigermaßen komisch aussah. Ich weiß nur, daß jeder
Mensch selbst für sein Schicksal verantwortlich ist. Dieses
Schiff hat einst deinem Vater gehört, und nun gehört es
dir. Das heißt nicht, daß du so werden mußt wie er. »Ein
Pirat, meinst du?«
    Das war er nicht, antwortete Astaroths lautlose Gedankenstimme.
»Woher willst du das wissen?« fragte Mike. »Du hast
ihn ja nicht einmal gekannt. «
Das muß ich auch nicht, sagte Astaroth. Ich habe eine
Menge über ihn gehört. Und ich kenne dich. Ich glaube,
daß ihr euch sehr ähnlich seid. Er lachte; etwas, zu dem er
in seiner Katzengestalt nicht in der Lage war, in Gedanken
aber sehr wohl. Als ich dich und die anderen
kennengelernt habe, da hattet ihr doch auch noch andere
Pläne, oder? Wolltet ihr dieses Schiff nicht benutzen, um
den Krieg zu beenden und die Menschen dazu zu zwingen,
endlich Vernunft anzunehmen? Mike blickte den Kater
nur an. Astaroths Worte entsprachen nicht
hundertprozentig der Wahrheit, aber sie kamen ihr
ziemlich nahe. Schließlich sagte er: »Ja. Aber das war eine
recht kindische Vorstellung. Wir können diesen Krieg
nicht beenden. « Da bin ich nicht einmal sicher, antwortete
Astaroth. Ihr wißt noch lange nicht, wozu die NAUTILUS
tatsächlich imstande ist. Vielleicht könntet ihr all diese
Verrückten dort oben tatsächlich zwingen, diesen
wahnsinnigen Krieg zu beenden. Aber es würde nichts
nutzen. Du kannst niemanden dazu bringen, Vernunft
anzunehmen, wenn er nicht vernünftig ist. Ich glaube,
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