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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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den unteren Decks hatten sich an den Balkonen versammelt. Ihre Arbeit war getan. Die Schlacht fand nun in der Starre und der Stille des Alls ihr Ende. Sah er Mateo? Das konnte er nicht mit Gewissheit sagen. Die Gestalten an der Außenwand des Schiffs waren eingehüllt in Kohlestaub und ihre schreckerstarrten Münder und die weißen Augen waren nicht zu unterscheiden. Er wünschte es sich. Er wollte, dass Mateo ihn sah, wenn er alles Träumen aufgab.
    So sank er auf den Rücken des Ungetüms und landete genau auf seiner Lebensader – dem metallverkleideten Schlauch. Er griff an seinen Gürtel. Ein Soldat mochte sein Schwert haben und damit viel bewirken. Aber nur ein Drachenbändiger konnte Metall beeinflussen, es erschaffen und zerstören. Der Druck auf seiner Brust wurde zunehmend stärker. Er hatte noch zwei Minuten.
    Es ging ihm viel einfacher von der Hand als er gedacht hatte. Das Metall der Spanier war weich. Emilio vermutete, dass es mit Gold durchsetzt war. Überdauernd aber nachgiebig. Bald sah er einen schmalen Streifen ausströmender Luft.
    Mateo , dachte er. Wenn du mich siehst, erinnere dich an mich, wie wir uns das letzte Mal begegnet sind. Da war ich noch frei.
     
    * * *
    Mateo stand an einem der zahlreichen Balkone und beobachtete den Untergang der Spanier. Ihre Soldaten waren im Kampf unterlegen – sie besaßen nicht die nötige Opfergabe – und hatten alles auf eine Karte gesetzt. Aber nun saß Emilio, sein Schützling, rittlings auf dem Drachen und vor ihm schoss eine Fontäne aus Luft in die Höhe.
    Das silbern glänzende Gesicht sank langsam zur Brust. Mateo wusste nicht, wohin Emilios Blick ging, spürte ihn aber unweigerlich auf sich selbst.
    Er konnte sich nicht abwenden. Auch als der Körper des Jungen vollends erschlaffte und die Eiskristalle von der Maske über seinen Kopf und Hals wanderten, um ihn in seinem letzten Ausdruck zu konservieren: Mateo erschien es fast entspannt, als Emilio über den Rand des Drachen in den Abgrund stürzte – ob aus innerer Ruhe oder aus Hilflosigkeit, das wusste er nicht.
     
V. Der Weg der Geschichte
     
    Da war sie also: die Geschichte von Emilio, der sich vom Drachenbändiger zum -bezwinger aufschwang. Eine Geschichte, so meinte Mateo, die Potential zur Legende hatte; nur seiner, das wusste er auch, würde sich niemand erinnern. Dabei war er es, dem die herzlose Aufgabe zukam, Martha zu unterrichten.
    Einer Mutter waren Geschichten gleich. Ob ihr Sohn als Held starb oder nur durch einen hässlichen Zufall zählte nicht. Anekdoten würden ihr nicht helfen, die bittere Nachricht den Trauergästen zu vermitteln, bei einem Begräbnis, das ohne Ehrung des toten Körpers auskommen musste.
    Gleichzeitig, dachte sich Mateo, würden die Begleitumstände des Todes ihm die Aufgabe erleichtern. Ihm käme nur die Rolle des Tröstenden zu. Die Fakten, oder das, was die Legende aus ihnen machte, würde Martha schon vom Wind erfahren haben.
     
    Hier oben begann die Geschichte; hoch über der Stratosphäre, zwischen den Drachenbändigern (deren Sohn Emilio ebenso war) und den Hoheiten. Hier würde sie bleiben, solange das Schiff aus den Weiten des Alls in die Atmosphäre eintauchte. Sobald es aber am Dock festmachte, und der erste Stiefel eines Matrosen mexikanischen Boden betrat, trüge er die Geschichte mit sich. Und wispernd zunächst und unter der Hand würde sie sich weiter verbreiten bis sie den ersten Beamten erreichte. Der würde das Potential erkennen, und sicher würde es nicht lange dauern, bis er Gesänge dichten ließe, und bis ein Denkmal errichtet wäre, das Emilio – dem wahren Emilio im Gegensatz zum historischen – nicht im geringsten gliche.
     
    Mateo wusste nicht ob Martha zuerst die Gesänge hören würde (wenigstens würde der Schock dann durch eine sanfte Stimme überbracht), oder ob sie das Geschehene über den landesweiten Rundfunk erfuhr.
     
    Ihm, Mateo, aber bliebe nur, Martha in die Arme zu nehmen und zu sagen:
     
    »Emilio hat bis zum Ende gewagt zu träumen.«
     
     
    ENDE

Thomas Wüstemann
     
     
    Geboren 1982 in Rostock und dort Kindheit und Jugend verlebt. Angefangen mit Animation, dann sehr aktiv in der regionalen Indie-Filmszene Mecklenburg Vorpommerns, wo ich lange Zeit Kurz- und Experimentalfilme gedreht habe, um mich dann langsam kommerziellen Projekten zuzuwenden.
     
    2005 ging ich nach Berlin (das ich heute als meine Heimat ansehe) und gründete hier mein eigenes Unternehmen »Morphium Film«, in dem ich als Autor,
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