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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit
Autoren: Greg Bear
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dazu verwenden, um einzelne Begriffszeichen oder Sinnbilder anzuzeigen, ähnlich wie moderne Computer mit Chinesisch oder anderen Sprachen verfahren.
    Innerhalb einer alphabetisch aufgebauten Universalbibliothek existiert also eine vollständige Bibliothek, die aus jeder beliebigen Teilmenge von Ideogrammen, Hieroglyphen oder deren Verbindung bestehen kann.
    Als ich meine Vorstellungen von einer Universalbibliothek mit meinem Freund, dem Physiker und Schriftsteller Gregory Benford, diskutierte, schnaubte er leicht verächtlich und sagte: »Aber das ist doch nur noise , ein Rauschen, das niemals auf gezielte Weise Informationen vermittelt.« Einen Moment lang war ich ebenso verblüfft wie beeindruckt und fast davon überzeugt, er müsse Recht haben. Doch binnen weniger Minuten
fand ich eine Antwort auf seinen Einwand: Ein Rauschen kann sich wiederholen. (Ob es das tatsächlich tut oder nicht, ist eine Frage, die uns zu Unterscheidungen zwischen analogen und digitalen Messungen zwingt, das Problem des Genauigkeitsgrades aufwirft etc.) Doch unsere Bibliothek kann sich nicht wiederholen. Kein Buch wird eine Kopie eines anderen Buches sein, denn zumindest ein Symbol in der Zeichenkette oder ein Buchstabe im Text wird und muss abweichen.
    Und solche Wiederholungen auszumerzen beziehungsweise sie von vornherein auszuschließen, ist keine triviale Angelegenheit!
    Außerdem gibt es recht reale Zeichenfolgen, die diese Universalbibliothek auf keinen Fall enthalten wird, darunter die vollständige Darstellung von Pi – die Zahl, die in der Geometrie das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser angibt und, grob gesagt, als 3,1415… ausgedrückt werden kann. Die Stellen nach dem Komma sind unendlich lang und scheinen zufällig zu sein. (Als Carl Sagan in seinem Roman Contact der Zahl Pi eine verborgene Botschaft unterstellte, reagierten viele Mathematiker mit würdevollen Missfallensbekundungen. Eine zufällige Zahl kann doch keine linguistische Botschaft enthalten! Allerdings hat es noch nie einen formellen Beweis dafür gegeben, dass die Pi-Stellen hinter dem Komma wirklich zufallsbedingt sind. Und da Pi unendlich lang ist, taucht auch gleich eine interessante Frage auf: Wie viele als Zahlen kodierte Universalbibliotheken passen in eine ausreichend lange Zeichenkette von Pi?)
    Selbstverständlich wird unsere Bibliothek Gleichungen und Beschreibungen enthalten, die ausreichen, Pi zu rekonstruieren, vielleicht sogar Beweise für die Zufälligkeit der Nachkommastellen.
(Aber Vorsicht: Die meisten dieser Beweise werden sich als falsch erweisen.)
    Das Nachdenken über Pi eröffnet uns einen möglichen Zugang zur Erforschung einer Universalbibliothek. Offenbar lässt sich Pi nicht »zippen« oder sonst wie komprimieren. Jede lange Ziffernfolge für Pi ist bereits die kürzeste Darstellungsform. Diese Eigenschaft haben alle zufällig aneinandergereihten Zeichenfolgen miteinander gemein: Es ist nicht möglich, sie digital in kleinere Versionen zu pressen und später wieder völlig genau zusammenzusetzen, wie es geschehen würde, wenn wir beispielsweise diesen Essay als Zip-Datei auf unserer Festplatte abspeicherten.
    »Verrauschte« komprimierte Bilder, etwa in »jpegs«, benötigen auf einer Digitalkamera mehr Speicherplatz als saubere, klare Bilder, denn sie lassen sich schlecht komprimieren. Bis jetzt sind die Kameras noch nicht fähig, alle Pixel, die zufällig und überflüssigerweise ins Bild geraten sind, von denen zu unterscheiden, die wesentliche Bildbestandteile sind, etwa ein Stern in einem Sternhaufen. Selbst die Software mit den leistungsfähigsten, für die Unterdrückung des »Rauschens« zuständigen Algorithmen vernichtet bei der Reduktion in der Regel auch Daten mit wirklichem Informationsgehalt.
    Aus all dem folgt, dass sich auch die tatsächlich nutzlosen oder zufällig zusammengewürfelten Texte in einer Universalbibliothek nicht komprimieren lassen. Ganze Abschnitte unserer Bibliothek wird man über weite Zeiträume hinweg durcharbeiten, »durchforsten« und danach ausgrenzen müssen, um die Bereiche zu finden, die komprimierbar sind und daher vermutlich sinnvolle oder interessante Zeichenketten enthalten,
das heißt Symbole mit linguistischer Grundlage, zumindest aber mit einer nicht zufälligen Basis.
    Und selbstverständlich ist das nur der erste Schritt zur Bearbeitung einer Universalbibliothek!
    Eine weitere logische Schlussfolgerung sagt uns, dass die Hälfte der Bücher oder
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