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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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sie ausgerichtet. Der teuerste Partydienst, musikalische Untermalung, ein Bauchredner, an nichts hätte er gespart. Für den Inhaber einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Steuerberatung spielte Geld keine Rolle. Es gab immer genug.
    Ihr Blick fiel aus dem Fenster. Die kahlen Bäume vor ihrem Wohnzimmer bogen sich im Sturm. Ein lausiges Wetter. Winter in der norddeutschen Tiefebene müsste verboten werden. Mit dem gut gefüllten Weinglas fläzte sie sich auf das Sofa, griff nach der Fernbedienung, zappte sich durch das Programm. Nach fünf Minuten gab sie frustriert auf.
    Das Glas war schnell leer. Unversehens hatte der Rest der Flasche den Weg ins Glas gefunden. Mit dem zweiten Glas besserte sich ihre Stimmung. Eigentlich hatte sie keinen Grund zur Betrübnis. Als Dezernentin beim LKA hatte sie beruflich mehr erreicht, als viele Frauen von sich sagen konnten. Ein krisenfester Job war in der heutigen Zeit Gold wert. Sie war gesund und konnte eine gemütliche Wohnung ihr Eigen nennen. Alles im grünen Bereich also und dennoch nagte in letzter Zeit das Gefühl an ihr, dass es in ihrem Leben nicht rund lief.
    Damals, als Franz sie aus seinem Leben und seiner feudalen Stadtvilla in Isernhagen-Süd, einem Villenvorort von Hannover, katapultiert hatte, hatte sie das tiefe Loch, das sich vor ihr auftat, ignoriert. Eine kurze, heftige Affäre mit einem Kollegen aus der Polizeidirektion hatte sie abgelenkt, ihre Arbeit auch.
    Vor einigen Wochen, ein banaler Anlass hatte den Ausschlag gegeben, war sie aus heiterem Himmel in eine Sinnkrise gestürzt. Es war einer jener grässlichen Sonntage, die für Singles jenseits der dreißig eine schwere Prüfung sind. Was tun, wenn es draußen stürmt und regnet und der Gedanke, die warme Wohnung zu verlassen, genauso unerträglich ist wie das Alleinsein? Pest oder Cholera? Sich aufraffen, irgendwohin gehen, verfolgt von mitleidigen Blicken, oder in den eigenen vier Wände bleiben und die ganze Zeit hoffen, dass das Telefon klingelt? Das Telefon hatte nicht geklingelt, sie war den ganzen Tag mit sich und ihrer trübseligen Stimmung allein geblieben. Und sie wusste, dass sich solche Tage häufen würden. Tage, an denen die Angst sie umtrieb. Angst vor dem Alleinsein, Angst vor dem Alter, Angst, das Leben zu verpassen.
    Nach der Tagesschau war doch noch Besuch gekommen. Ihr Kollege und Freund Stollmann hatte auf dem Rückweg von einem Wochenendausflug Durst verspürt und sich auf ein Glas Wein bei ihr eingeladen. Warum konnte sie sich nicht in einen wie Stolli verlieben? Es hatte Zeiten gegeben, da war er interessiert, doch damals war sie noch mit Franz liiert gewesen. Zugegeben, an manchen Tagen sah er aus wie ein Penner. Auf Äußerlichkeiten gab er nichts. Ihn küssen, sie konnte es sich nicht vorstellen. Und mehr schon gar nicht.
    In ihre Gedanken hinein klingelte das Telefon. Ihre beste, da einzige Freundin Dagmar wollte sich bei ihr ausweinen. Zoff mit ihrem Mann. Danach fühlte Verena sich besser.
    Gegen Mitternacht ging sie beschwipst ins Bett. Vor ihr lag ein freier Tag. Ausschlafen war angesagt und nicht in aller Herrgottsfrüh in ihrem ungemütlichen Büro aufschlagen. Auch über das Wetter, über eine Erkältung oder über beides murrende Kollegen blieben ihr erspart.
    Nach zwei Stunden war es mit der Nachtruhe vorbei. Sie wachte schweißgebadet auf. Das passierte in letzter Zeit häufiger. Doch nicht etwa die Wechseljahre? War sie nicht zu jung dafür? Tiefe, langsame Atemzüge halfen nicht. Die Grenze zwischen Schlafen und Wachsein war überschritten. Schlaflosigkeit war ein treuer Begleiter ihrer Nächte geworden. Erst gegen Morgengrauen fiel sie schließlich in einen unruhigen Schlaf, der ihr einen unangenehmen Gast bescherte: eine dicke graue Ratte, die in ihr Bett krabbelte und an ihrem Schlafanzug knabberte. Sie kämpfte verzweifelt mit dem Ungeheuer, als ihr Handy sie aus dem Albtraum erlöste. Ein Blick auf den Wecker zeigte ihr, dass es kurz vor halb acht war. Sie vermutete ihre Mutter. Am anderen Ende meldete sich eine männliche Stimme. Ihr Kollege Stollmann. Noch im Halbschlaf dachte sie, den freien Tag kann ich abhaken.
    „Na, Verena, noch geträumt, während unsereins Dienst schieben muss?“ Stollmann hatte in dieser Nacht vertretungsweise die Leitung des mobilen Einsatzkommandos 1 (MEK 1) übernommen. Er hatte schlechte Nachrichten.
    „Ein Beamter der Staatskanzlei ist erschossen worden, ein hohes Tier. Ministerialdirigent. Er heißt Alexander Heise. Seine
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