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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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islamistische Fundamentalisten hält er für möglich.“
    Es hätte der Erklärung nicht bedurft. Dass Kriminaldirektor Hirschmann über beste Kontakte ins Innenministerium verfügte, war allgemein bekannt. Außerdem leitete er das Dezernat für politisch motivierte Ausländerkriminalität und Islamismus. Ihr Vorschlag, dem ranghöheren Kollegen die Leitung der Soko zu übertragen, war dennoch nicht willkommen. Der Direktor hielt an seiner Entscheidung fest.
    Die anderen Namen auf der Liste: drei Beamte des gehobenen Dienstes, der Rest mittlerer Dienst, darunter ein Querulant und zwei notorische Arbeitsverweigerer. Sie legten enorme Kreativität an den Tag, wenn es darum ging, sich vor Arbeit zu drücken. Ihre Krankenstandszeiten waren überdurchschnittlich hoch, ihre Arbeitsleistungen tendierten gegen null. In der Privatwirtschaft wären sie längst geflogen, im öffentlichen Dienst mogelten sie sich durch.
    Ritters stahlblaue Augen verwirrten Verena. Sie zwang sich, seinem Blick auszuweichen. „Pressekonferenz noch heute? Wir werden kaum etwas sagen können. Frau Schulz und ihre Leute sind noch am Tatort, die Obduktion durch die Gerichtsmedizin steht noch aus“, gab sie zu bedenken.
    Ritter widersprach. „Wir können der Presse mitteilen, dass Alexander Heise aus nächster Nähe erschossen wurde. Bisher gehen die Medien vermutlich von Selbstmord aus, denken an Burn-out oder Depressionen. Der Minister möchte vermeiden, dass sich dieser Eindruck festsetzt.“
    Sein Ton ließ keinen Zweifel aufkommen. Widerspruch war zwecklos. Verena sagte widerstrebend ihre Teilnahme zu. In ihrem Büro glühte Frau Schramm vor Neugier. Verena gab ihr die Liste. Die erste Sitzung der Soko Heise sollte in einer Stunde stattfinden, genug Zeit für ihre aufgeregte Mitarbeiterin, die Leute zusammenzutrommeln.

4
    Das Büro des Pressesprechers der Landesregierung mit Ausblick auf den Innenhof gehörte zu den schönsten in der Staatskanzlei. Die weiß lackierten Designermöbel, ein Geschenk eines niedersächsischen Möbelherstellers im Hochpreissegment, waren ursprünglich für den Regierungschef bestimmt. Als der nach einem Urlaub in der Toskana eine neue Ausstattung im mediterranen Stil verlangt hatte, waren die wertvollen Möbelstücke im Büro des Regierungssprechers gelandet. Die farbenfrohen Ölgemälde in kräftigen Rot- und Gelbtönen, die die Wände schmückten, hatten das gleiche Schicksal erlitten. Der Künstler war ein Freund des Regierungschefs. Dass seine Gemälde dennoch aus seinem Büro verbannt worden waren, war einer Liaison des Ministerpräsidenten mit einer Aquarellmalerin geschuldet. Die Affäre war nach wenigen Wochen beendet. Die Aquarelle, die ein empfindliches Loch in den Etat für Bürobedarf der Staatskanzlei gerissen hatten, eine kostspielige Hinterlassenschaft. Wagner hatte den Verdacht, dass sein Chef die Bilder längst über war, sich aber angesichts der hohen Ausgaben dafür nicht traute, sie entfernen zu lassen.
    Der aufreibende Job des Regierungssprechers ließ dem Pressesprecher wenig Zeit, das Ambiente seines luxuriösen Büros zu genießen. Nicht, dass er seinen Job nicht mochte. Das Gegenteil war der Fall. Er verdiente fast doppelt so viel wie zuvor als Politikredakteur der
Friesenzeitung
. Und es war niemals langweilig. In den knapp drei Jahren als Regierungssprecher war Wagner so viel herumgekommen wie vorher in seinem gesamten 34-jährigen Leben nicht. Auf Auslandsreisen war er stets dabei, bei Kabinettsitzungen sowieso und selbst bei den streng geheimen Klausurtagungen der Landesregierung. Und es war immer etwas los. Besonders die Scharmützel, die sich sein Chef mit dem Bundeskanzler lieferte, sorgten für Spannung. Nach Wagners interner Statistik stand es 5 : 4 für den Ministerpräsidenten.
    Es gefiel ihm, die Politik der Landesregierung zu verkaufen. Die Bürgerpartei stand ihm politisch nahe und er schätzte den Regierungschef, nicht nur als Politiker. Allerdings erwies sich sein Job in letzter Zeit als schwierig. Es bedurfte erheblicher Kreativität, Erfolgsgeschichten zu inszenieren, obwohl es keine gab. Im achten Jahr ihrer Regierung bestimmten Ideenlosigkeit und Amtsmüdigkeit das Bild. Nur der trotz häufiger Krisensitzungen anhaltende Koalitionsstreit sorgte für ungewollte Abwechslung.
    Wagner war der engste Vertraute des Regierungschefs. Ihm gegenüber nahm sich der Chef kein Blatt vor den Mund. Weder das Kabinett noch die Ministerriege blieben von seiner beißenden Kritik
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