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Die Spur des Tieres

Die Spur des Tieres

Titel: Die Spur des Tieres
Autoren: Vampira VA
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sie sich dahin, in so großer Zahl, daß die Geräusche ihrer dürren Beine auf dem Pflaster als unruhiges Ticken die Nacht über diesem Teil der Stadt erfüllte. Doch gab es in den Häusern ringsum niemanden mehr, der es noch zu hören vermocht hätte.
    Spinnfäden zogen sich durchs Dunkel wie haarfeine Risse, hinter denen silbriges Licht glitzerte. Denn jeder einzelne Faden glomm, als fließe etwas in ihm. Etwas Lebendiges. Oder Leben selbst .
    Und sie alle verliefen schnurgerade, im Schlepp des Spinnenheeres, auf die Heiliggeistkirche zu.
    *
    Die Kirche war nicht mehr dem geweiht, dem zu Ehren sie einst erbaut worden war. Alles von christlicher Symbolik war dem Blick entzogen. Riesige Tücher, löchrig wie von Motten zerfressen, verhüllten sämtliche Insignien, Kreuze, Heiligenbilder und selbst den Altar, in dessen Schatten Lilith Eden am Boden kauerte, unfähig etwas anderes zu tun, als nur zu starren, stumm vor - Entsetzen ...?
    Auch; aber es war nicht allein Entsetzen, das die Eiseskälte in ihren Gliedern und ihrem Geist nährte und ihr Tun und Denken lähmte. Zumindest zum gleichen Teil rührte der Frost, der alles unter ihrer Haut ummantelte, von einem nie zuvor erfahrenen Gefühl her, das eine schaurige Abart von - Wiedersehensfreude sein mußte.
    »Das kann nicht sein ...«, kam es beinahe tonlos über Liliths Lippen, ». es ist . unmöglich .«
    Und es DARF nicht sein! brüllte ein Gedanke in ihr, stumm und doch so laut, daß es schmerzte.
    Aber der Schmerz hatte noch andere Quellen, aus denen er hundertfach stärker floß und die in jeder Sekunde, die Lilith den Blick nicht abwenden konnte von dieser »Unmöglichkeit«, neu gespeist wurden. Als sollte der Schmerz daraus nicht mehr versiegen.
    Vielleicht würde er nie versiegen.
    Denn Lilith hatte nie wirklich verwunden, was sie ihr angetan hatte.
    Ihr - Beth MacKinsey.
    Beth, von Kollegen, Freunden und auch Feinden oft »Macbeth« genannt, war Reporterin des Sydney Morning Herald gewesen, als Lilith sie damals (in der Zukunft) kennengelernt hatte. Schließlich waren sie zum vielleicht seltsamsten Liebespaar der Gegenwart geworden - allein deshalb schon, weil eine amouröse Beziehung zwischen einem Menschen und einem Vampir zu jeder Zeit etwas höchst Seltenes gewesen war.
    Freud und Leid hatten sie in der Folge geteilt.
    Mehr Leid denn Freud, wie Lilith im nachhinein bitter bekennen mußte.
    Das Leid hatte zuletzt im Tod Beth MacKinseys gegipfelt.
    Und Lilith Eden selbst hatte die Liebes- und Lebensgefährtin getötet!
    Obwohl es geschehen war, als Lilith nach dem Trunk aus dem Lilienkelch alles Menschliche eingebüßt hatte und nicht mehr sie selbst gewesen war, hatte sie sich die Untat nie verzeihen können. Nie hatte sie Beth' Anblick vergessen, wie sie mit gebrochenem Hals im Korridor der Zeit bei Uruk gelegen hatte. Wohl hatte Lilith das vielleicht furchtbarste Bild ihres Lebens bisweilen verdrängen können, aber immer wieder war es in ihr aufgestiegen, wie ausgespien vom Unterbewußtsein, als wollte selbst dieser Teil ihres Seins sich nicht mit solcher Schuld besudeln.
    Wie froh hätte Lilith nun sein müssen - jetzt .
    ... da Beth MacKinsey vor ihr stand!
    Lebend und unversehrt!
    Wenn auch - verändert ... Transparent schien ihre Haut, fast gläsern, und etwas Unbeschreibliches umwehte sie, nicht zu sehen, aber spürbar - spürbar gefräßig, gierig .
    Nein, Lilith empfand keine wirkliche Freude ob dieser ungeheuer-lichen Begegnung mit Beth. Wenn auch nur ein Funke davon in ihr war, so erstickte er im Chaos all jener Emotionen und Fragen, die in Lilith wirbelten wie von einem Orkan erfaßt.
    Wie kam es, daß Beth lebte? Wie konnte sie hier leben - in dieser längst vergangenen Zeit, in die es Lilith verschlagen hatte? Wie war sie in diese Kirche zu Heidelberg gelangt? Wer waren die drei unheimlichen Fremden, in deren Gesellschaft Beth aufgetaucht war -wie von einem jenseitigen Sturm hergetragen und aus dem Nichts hier hingespien?
    Lilith fand nicht auf eine einzige der Fragen, die sich in dieser Aufzählung noch lange nicht erschöpften, die Antwort. Dafür allerdings entdeckte sie tief in sich nun doch einen vagen Hauch von Freude -oder wenigstens Dankbarkeit. Zum allerersten Mal empfand sie es nämlich nicht als Fluch, in einen fremden Leib hineingeboren worden zu sein, nachdem sie der Hölle entkommen und in die Vergangenheit geraten war. Denn in dieser Larve - im Körper des Mädchens Lena, deren Ich Lilith verdrängt hatte - durfte sie sich
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