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Die Spur der Kinder

Titel: Die Spur der Kinder
Autoren: Hanna Winter
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Kindheitstrauma zugrunde lag. Fiona hätte beinahe so etwas wie Mitleid empfunden, doch die Erinnerung an das, was Braun getan hatte, ließen Wut und Abscheu erneut in ihr aufflammen.
    »Es waren die Brandnarben, blauen Flecken oder Striemen auf den kleinen Körpern, die mich aufjedes der Kinder aufmerksam gemacht haben«, hauchte Braun abwesend. »Mir war sofort klar, was ich zu tun hatte. Irgendjemand musste diese unschuldigen Geschöpfe doch von ihren Qualen erlösen – und der Tod ist die einzig wahre Erlösung!«
    Die weißen Lilien , begriff Fiona .
    Ihr Blick schnellte zu Piet Karstens, der noch immer stöhnend am Boden lag. Erst jetzt leuchtete ihr ein, weshalb Karstens hatte wissen wollen, ob Adrian jemals die Hand gegen Sophie erhoben hatte.
    Aber Sophie war nichts dergleichen angetan worden – warum in Gottes Namen also ausgerechnet Sophie?
    Braun sah mit kalten Augen abwechselnd zu Fiona und Karstens. »Sie fragen sich sicher, was ich mit den Kindern gemacht habe?«
    Ebenso gebannt wie Karstens blickte Fiona sie an. Braun schien kurz nachzudenken, ehe sie sagte: »Sie haben Glück. Bevor Sie beide sterben, haben Sie die Ehre, meinem kleinen Ritual beizuwohnen.« Sie schnipste mit den Fingern. »Es kann losgehen – André, bring die Kerzen und das Wasser rein!«
    Und mit einem Blick zu Karstens befahl sie: »Wenn Sie sich von der Stelle rühren, schlägt André Sie tot.«
    Karstensschwieg, während Brauns Bruder sogleich wie ein dressierter Affe die Anweisung befolgte und eine Keramikschale mit dampfendem Wasser hereinbrachte. Rundherum zündete er einige Kerzen an, die dem Raum eine morbide Festlichkeit verliehen. Aus einem alten Kassettenrekorder erklang der Gesang eines Kinderchors.
    Dann klatschte Dagmar Braun zweimal in die Hände. »Und nun das Mädchen!«
    Mit pochendem Herzen sah Fiona die Kreatur erneut ins Hinterzimmer humpeln. Momente später rollte André ein Kinderbett zur Tür herein. In dem Bettchen saß … großer Gott – Luna! Klein und verletzlich saß das Mädchen nur da und starrte wie paralysiert durch die Gitterstäbe. Fiona hatte nicht mehr damit gerechnet, Luna noch einmal lebend wiederzusehen, und für einen Augenblick wurde ihr warm ums Herz.
    Zu ihrem Entsetzen stellte Fiona fest, dass das Mädchen auf nichts mehr zu reagieren schien, als das Kind plötzlich wie eine Puppe zur Seite wegkippte und reglos im Bett liegen blieb.
    Was hat dieses Kind bloß durchmachen müssen?
    »Keine Sorge, ich habe ihr ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht, sie wird tief und fest schlafen und kaum etwas spüren«, erklärte Dagmar Braun. Sie hob das bewusstlose Mädchen aus dem Kinderbett und bettete den zerbrechlichen Körper auf einer auf dem Campingtisch ausgebreitetenDecke. Erst jetzt fiel Fiona auf, dass sie Luna eine uralte Schuluniform angezogen hatten, die ihr mindestens drei Nummern zu groß war.
    Gänzlich versunken in ihre makabere Zeremonie, tauchte Dagmar Braun einen Lappen in die Wasserschale und fuhr damit immer wieder behutsam über das Gesicht, Arme und Beine der kleinen Luna García, als befreie sie das Mädchen von jeglichem Schmutz, mit dem es in seinem kurzen Leben verunreinigt worden war. Die ganze Zeit über bewegten sich Brauns Lippen zu den Strophen des Kinderchors.
    »… wenn fromme Kinder schlafen gehn,
    an ihrem Bett zwei Englein stehn,
    reicht nun nicht der Englein Macht,
    der liebe Gott hält selbst die Wacht …«
    Plötzlich bemerkte Fiona, dass Piet Karstens sich aufzurichten versuchte. Doch auch Braun wurde auf ihn aufmerksam.
    »Sie werden das Ritual nicht stören!«, herrschte sie ihn an und bedeutete ihrem Bruder mit einem Kopfnicken, Karstens zum Schweigen zu bringen.
    Fiona erstarrte, als sie mit ansehen musste, wie der Mann eine Eisenstange zur Hand nahm und so heftig auf Piet Karstens einschlug, dass sie seine Knochen brechen hörte.
    Der letzte Schlag traf den Polizisten mit aller Wuchtins Gesicht, bevor er blutüberströmt liegen blieb und sich nicht mehr rührte.
    Lieber Gott, bitte sag, dass er nicht tot ist.
    Zufrieden lächelnd wandte sich Braun wieder der kleinen Luna García zu. Die Augäpfel des Mädchens bewegten sich unter ihren Lidern, als ob es jede Sekunde erwachte.
    Der Kinderchor steigerte sich zu einem grässlichen Crescendo, als Fiona plötzlich eine Rasierklinge in Brauns Hand aufblitzen sah.
    »Mögest du erlöst werden von all deiner Pein und in vollkommener Reinheit von uns gehen«, betete Braun herunter und legte die
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