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Die Spur der Kinder

Titel: Die Spur der Kinder
Autoren: Hanna Winter
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Mama denn noch die Treppe hinuntergefallen sein?
    Am meisten Sorge bereitete García jedoch der bevorstehende Elternabend in Lunas Kita. Dort würde sie die blauen Flecken nicht wieder hinter ihrer großen schwarzen Sonnenbrille verbergen können. Und Renate Pohls misstrauische Blicke waren ihr nicht entgangen.
    Die ahnt doch längst, was Sache ist. Von den anderen Müttern ganz zu schweigen …
    Der Elternabend war schon in drei Tagen, aber einfach nicht hinzugehen kam für García nicht in Frage. Das würde Pohl und die anderen Mütter in ihren Annahmen nur bestärken.
    Nein, bloß kein Aufsehen erregen.
    Zu hart hatte García um einen Platz in dieser Kita gekämpft, die einen exzellenten Ruf genoss. Und auch die allmorgendliche Fahrt von Kreuzberg nach Berlin-Mitte, eine Prozedur, die sich am späten Nachmittag wiederholte, nahm sie dafür gerne auf sich.
    Mit einem Mal schlug die Wohnungstür zu. García fuhr zusammen. Sie hörte, wie er in den Aufzug stieg. Erleichtert atmete sie aus, obgleich sie wusste, dass er wiederkommen würde, sobald die letzte Kneipe geschlossen hatte. Luna und sie waren in diesen vier Wänden nicht mehr sicher. Sie hatten seine Aussetzer schon viel zu lange erduldet. García hob ihren Blick und sah sich tief in die Augen: Gleich morgen früh wirst du zur Polizei gehen und mit Luna in einem Frauenhaus Zuflucht finden .
    Und wieder einmal wusste sie schon jetzt, dass sie nicht den Mut dafür aufbringen würde. Sie konnte ihn nicht verlassen. Ohne ihn war sie nichts weiter als eine alleinstehende Mutter ohne festen Job und regelmäßiges Einkommen. Und wenn sie Pech hatte, bald auch noch ohne Aufenthaltsgenehmigung, dachte sie bei sich, während ihr ein Blutstropfen über die Wange rann und ins Waschbecken tropfte.
    Doch mit Luna zurück nach Kolumbien? Niemals. Nicht in diesem Leben .
    Plötzlich ging die Badezimmertür auf. Geblendet vom grellen Licht, rieb sich Luna die müden Augen und tapste in ihrem rosa Frotteeschlafanzug auf sie zu.
    »Mama«, stammelte sie und umklammerte Marias Bein.
    Schnell schnappte sich García ein Handtuch und drückte es auf ihre Wunde.
    » Esta bien , kleine princesa , ya esta bien «, sagte García leise, streichelte ihr über den Kopf und bemerkte erst jetzt, dass auch Luna geweint hatte.
    »Ist ja gut«, flüsterte García. Erleichtert, dass ihre Tochter ihr nicht ins Gesicht gesehen hatte, nahm sie Luna hoch. Sie drückte Lunas Kopf an ihre Schulter und trug sie zurück ins Bett. Vielleicht könnte sie Frau Seeberg fragen, hin und wiederim Restaurant auszuhelfen, überlegte García. Das wäre immerhin ein Anfang. Denn eines war für García so sicher wie das Amen in der Kirche: Solange sie Luna in diesem Land eine bessere Zukunft als in Kolumbien ermöglichen konnte, würde sie jeden Preis dafür zahlen.
    ***
    (Noch am selben Abend)
    Fiona hoffte inständig, dass sie sich irrte, als sie mit dem Zeigefinger über die Buchrücken fuhr und einige Regale weiter plötzlich ein vertrautes Gesicht bemerkte. Schnell wandte sie ihren Blick wieder ab.
    War er es wirklich?
    Fiona spürte, wie ihr eine leichte Röte ins Gesicht stieg. Sie wollte ihm nicht begegnen. Nicht heute. Nicht jetzt. Nicht hier in diesem Buchladen. Und sie wollte sich gerade davonstehlen, da bemerkte sie aus dem Augenwinkel, dass er zu ihr herüberschaute. Doch auch er senkte seinen Blick rasch wieder. Nein, nun sah er wieder zu ihr herüber.
    »Frau Seeberg?«
    Kommissar Piet Karstens lächelte etwas unbeholfen, als er in Jeans und leicht zerknittertem Hemdauf sie zukam. Er sah übermüdet aus, deutlich abgespannter als beim letzten Mal. Fiona umklammerte die Bücher, die sie sich herausgesucht hatte, wie um die Titel mit ihren Armen zu verdecken.
    »Hallo! Na, so ein Zufall«, sagte sie und machte ein überraschtes Gesicht. Für einige Sekunden schien die Verlegenheit, mit der sie sich gegenüberstanden, mit den Händen greifbar zu sein.
    Karstens vergrub die Hände in den Hosentaschen, neigte seinen Kopf und sah neugierig auf Fionas Bücher, als sein Lächeln mit einem Mal verblasste. » WENN FRAUEN MORDEN von Stephan Harbort«, las er vor. » DER MÖRDER IN UNS – WARUM WIR ZUM TÖTEN PROGRAMMIERT SIND von David M. Buss . « Der Kommissar rieb sich nachdenklich das Kinn.
    »Ich recherchiere für meinen neuen Roman«, rechtfertigte sich Fiona, als habe sie seine Gedanken gelesen.
    Karstens verschränkte die Arme. »Ach, Sie schreiben wieder?«
    »Ja, ja, ich habe wieder angefangen«,
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