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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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Christiansdorf vor drei Jahren trotz seiner Jugend zum Dorfschulzen gewählt. Sein Vorgänger Hildebrand – der Mann jener Griseldis, die Christian bei seiner Heimkehr abgefangen hatte – hatte sich in der Not als feige erwiesen.
    An Marthes Seite saßen die Brüder Gero und Richard, Ritter ohne eigenes Land und Freunde Christians, die er vor drei Jahren in seine Dienste genommen hatte. Zwei fehlten neben ihnen: Lukas, der einst Christians Knappe gewesen und für seinen Mut von Markgraf Otto persönlich vorzeitig zum Ritter ernannt worden war, und sein jüngerer Bruder Jakob, der nun Christian als Knappe diente. Christian hatte die beiden nach Hause geschickt, als ein Bote die Nachricht brachte, ihr Vater sei schwer erkrankt.
    Am langen Tisch saßen zur Feier des Tages alle, die noch zu Christians Haushalt gehörten: Marie, Johanna und Karl, die Köchin, die Mägde, Stallburschen und die Witwe Hiltrud, die in Christians Auftrag das Brauen und Backen im Dorf beaufsichtigte. Ihr Mann war unter merkwürdigen Umständen umgekommen, nachdem er Christian und dem Bergzimmerer Guntram heimlich gestohlenes Silber untergeschoben hatte. Guntram wurde dafür von Randolfs Leuten gehängt.
    Dass Christian ihr keine Mitschuld am Verrat ihres Mannes gab, hatte die verängstigte Hiltrud mit fassungsloser Dankbarkeit erfüllt. Sie würde ihm jeden Wunsch von den Lippen ablesen und war seit dem Tod ihres gewalttätigen Mannes regelrecht aufgeblüht.
    Zufrieden ließ Christian seinen Blick über die Runde schweifen. In dieser Gesellschaft fühlte er sich um ein Vielfaches wohler als unter den Intriganten und Schmeichlern bei Hofe. Marthe neben ihm strahlte vor Glück, oben schliefen seine Kinder. Leider würde er diese Idylle nicht lange genießen können.
    Als alle mit der Mahlzeit fertig waren, schob er die Schüssel beiseite, ließ Bier nachschenken und lehnte sich zurück.
    »Was gibt es Neues im Dorf?«, fragte er in die Runde.
    »Drei Kinder sind schon an dem Fieber gestorben, das jetzt umgeht«, klagte Pater Bartholomäus. »Und zwei Lepröse sind im tiefsten Schnee hier angekommen. Wir haben für sie eine Unterkunft am Dorfrand bauen lassen und stellen regelmäßig Essen davor ab. Feuerholz können sie sich selbst aufsammeln. Wenn der Schnee geschmolzen ist, wollen sie weiterziehen, falls sie dann noch leben.«
    »Griseldis hat sich bei mir beschwert und ein Hurenhaus gefordert. Was hat es da gegeben?«, erkundigte sich Christian.
    Jonas konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Eine der Hübschlerinnen hat ihrem Hildebrand schöne Augen gemacht, und der konnte seine Blicke gar nicht mehr losreißen. Da sind die zwei Weiber aufeinander losgegangen und haben sich vor aller Augen geprügelt.«
    »Solche Zustände können wir nicht dulden«, warf der Pater streng ein. »Vielleicht wäre ein Hurenhaus wirklich eine gute Lösung. So beschmutzen sie mit ihrem sündigen Anblick nicht unser aller Augen. Und es wäre auch für die Frauen besser.«
    »Wir brauchen die Huren«, brummte der Bergmeister. »Untermeinen Leuten und den Wachen sind zu viele unverheiratete Männer. Wenn sie nicht ab und zu für Geld eine Frau haben können, gibt es hier noch mehr Ärger. Sie raufen sich doch schon jetzt um die paar Weiber.«
    »So viele Abenteurer und Diebe sind hierhergekommen, da hatte ich geglaubt, die Huren folgen ihnen von ganz allein«, meinte Christian und warf Marthe einen hilfesuchenden Blick zu. Die lächelte in sich hinein. Wahrscheinlich würde Christian die Lösung dieses heiklen Problems lieber ihr überlassen.
    »Über sündige Fleischeslust und zänkische Weiber werde ich beim nächsten Gottesdienst ein paar Worte verlieren. Aber du solltest schnell wieder einen Gerichtstag abhalten, mein Sohn. In letzter Zeit häufen sich die Diebstähle. Deine Wachen haben einen Jungen erwischt, als er der Witwe Elsa den Geldbeutel gestohlen hat«, berichtete der Pater.
    Christian runzelte die Stirn. Er verhängte nicht gern Urteile, bei denen Diebe die Hand verloren, wenn es noch Kinder waren. Doch dulden konnte er auch nicht, dass jemand die Dorfbewohner um die Früchte ihrer Arbeit betrog. Es gab genug zu tun, und im Vergleich zu anderswo ging es den Menschen hier gut. Wer Not litt, konnte sich an einer Scheidebank verdingen und beim Zerkleinern der Erzbrocken sein Brot verdienen. Selbst die Krüppel und Bettler, die im Dorf lebten, wurden freigiebig mit Almosen versorgt. Das Silber hatte viele Menschen reicher gemacht, als sie in ihrer
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