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Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse
Autoren: Ken Follett
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geschaffen, an dem die Beständigkeit hin und wieder zum Wohle lustvoller Freuden geopfert werden konnte. Außerdem war es heutzutage keine unverzeihliche Verderbtheit mehr, einen Liebhaber zu haben, vorausgesetzt, man war diskret – und Ellen war äußerst diskret.
    Das Problem bestand jedoch darin, daß sie den Geschmack der Freiheit mochte. Sie hatte erkannt, daß sie sich in einem gefährlichen Alter befand. In den Frauenzeitschriften, die sie durchblätterte (aber nie mit Sinn und Verstand las), stand häufig, daß eine Frau das kritische Alter erreicht hatte, wenn sie darüber nachsann, wie viele Jahre ihr noch blieben, dann zu der Einsicht gelangte, daß es nur noch erschreckend wenige waren, und daraufhin beschloß, in diesen verbleibenden Jahren all die Dinge zu tun, auf die sie bis dahin verzichtet hatte. Die modernen, emanzipierten Autorinnen warnten jedoch davor, daß man sich in diesem Fall auf Enttäuschungen gefaßt machen müsse. Aber woher wollten diese jungen Dinger das wissen? Sie stellten lediglich Vermutungen an, wie alle anderen auch.
    Ellen ging davon aus, daß das ›kritische Alter‹ in punkto Sex nichts mit den Lebensjahren zu tun hatte. Sie war sicher, daß sie mit siebzig immer noch einen flotten, dynamischen Neunzigjährigen finden konnte, der scharf auf sie war – sofern ihr selbst mit siebzig noch der Sinn danach stand. Und es hatte auch nichts mit den Wechseljahren zu tun, die ohnehin längst schon hinter ihr lagen. Nein, für sie bestand das Problem schlicht und einfach darin, daß sie Derek von Tag zu Tag ein bißchen unattraktiver fand, Felix hingegen immer anziehender. Dieser Kontrast hatte schließlich einen Punkt erreicht, daß es nicht mehr auszuhalten gewesen war.
    Sie hatte beiden Männern zu verstehen gegeben, um was es ihr ging – hintenherum, so, wie sie es am besten konnte. Sie mußte lächeln, als sie sich in Erinnerung rief, wie nachdenklich Derek und Felix dreingeschaut hatten, als sie ihnen ihr verschleiertes Ultimatum gestellt hatte. Ellen kannte ihre Männer: Beide würden zuerst analysieren, was sie ihnen gesagt hatte, dann erkennen, worauf es ihr ankam, und sich dann zu ihrem Scharfsinn beglückwünschen. Weder der eine noch der andere würde erkennen, daß er bedroht wurde.
    Ellen verließ das Wäldchen wieder und lehnte sich an einen Zaun am Rande eines kleinen Feldes, das sich ein Esel und ein Pferd teilten: Den Esel hielten sich die Hamiltons als Streicheltier für die Enkelkinder, und die alte Stute fraß ihr Gnadenbrot, weil sie einst Ellens LieblingsJagdpferd gewesen war. Die beiden Tiere waren es zufrieden; die Glücklichen wußten nicht, daß sie alt wurden.
    Ellen ging über das Feld und stieg den Bahndamm zur stillgelegten Eisenbahnstrecke hinauf. Hier waren einst Dampflokomotiven vorübergeschnauft, als sie und Derek noch fröhliche junge Leute aus der besseren Gesellschaft gewesen waren, als sie zu Jazzmusik getanzt, zuviel Champagner getrunken und Parties gegeben hatten, die sie sich eigentlich gar nicht leisten konnten. Ellen ging zwischen den rostigen Schienen entlang und hüpfte von Eisenbahnschwelle zu Eisenbahnschwelle, bis irgend etwas Kleines, Pelziges unter dem verrotteten Holz einer Schwelle hervorsauste und sie erschreckte. Ellen huschte den Bahndamm hinunter und ging zurück zum Haus, wobei sie dem Lauf eines Baches folgte, der sich durch wildes Heideland schlängelte. Sie wollte zwar kein sorgloses, fröhliches junges Ding mehr sein, aber verliebt sein wollte sie noch immer.
    Nun, sie hatte ihre Karten auf den Tisch gelegt, sowohl bei Derek als auch bei Felix. Sie hatte Derek zu verstehen gegeben, daß sie durch seine viele Arbeit immer mehr aus seinem Leben hinausgedrängt wurde und daß er sich ändern mußte, wollte er seine Frau nicht verlieren. Und Felix hatte die Warnung erhalten, daß er sie nicht für immer und ewig als sein Spielzeug betrachten konnte.
    Es konnte natürlich sein, daß sowohl Derek als auch Felix sich ihrem Willen beugten. Dann blieb das Problem bestehen, sich für einen von beiden entscheiden zu müssen. Oder beide gelangten zu der Einsicht, daß sie auch ohne Ellen auskommen konnten. In diesem Fall würde ihr nichts anderes übrigbleiben, als désolée zu werden, wie ein Mädchen in einem Roman von Françoise Sagan. Dann wäre der Schuß nach hinten losgegangen.
    Aber mal angenommen, fragte sich Ellen, beide sind bereit, auf deine Wünsche einzugehen? Für wen würdest du dich entscheiden? Wahrscheinlich für
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