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Die Sprache unserer Organe

Die Sprache unserer Organe

Titel: Die Sprache unserer Organe
Autoren: Jean-Pierre Barral
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Botschaft senden wird.
    Mit zwölf Jahren gerät Florence nach einer Knieverletzung merkwürdigerweise in einen depressiven Zustand. Alle beruhigen sie: »Sei tapfer, das ist nicht schlimm. Es wird dir bald wieder gut gehen.« Nachdem die klinische Behandlung keinen Erfolg hat, wird sie an einen Psychotherapeuten überwiesen, der bei seiner Befragung feststellt, dass Florence stark unter der Instabilität ihrer Familie leidet. Ihre Eltern streiten ständig und drohen, sich zu trennen.
    Bei Florence, die sich gerade in der Pubertät befindet, mit all den entsprechenden physiologischen Veränderungen, haben sich die affektiven Störungen auf das geschwächte Knie konzentriert und dort Probleme verursacht.

    Warum so etwas möglich ist? Weil bestimmte Nerven im Knie auch mit dem Geschlechtsapparat in Verbindung stehen. Zudem ist das Knie das Gelenk der Instabilität. Psychische Spannungen und ein hormonelles Ungleichgewicht haben das Knie von Florence beeinträchtigt. Durch eine psychologische Behandlung und das Ende der Pubertät konnte Florence die Probleme überwinden.
    Das unausweichliche Ende der Pubertät bringt mir einen Satz von Jean Cocteau in Erinnerung: »Die Jugend ist eine Krankheit, von der man sehr leicht gesundet.« Damit sind natürlich nicht die psychischen Unausgewogenheiten gemeint, von denen die Jugend begleitet wird, sondern die Zeit, die so schnell verstreicht.
    Die 50-jährige Catherine durchlebt in ihrer Ehe eine äußerst schwierige Phase. Die Trennung von ihrem Mann scheint ihr unvermeidlich. Während sie sich darauf einstellt, beginnt sie an Kreuzschmerzen zu leiden, die ihr schwer zu schaffen machen, sodass sie sich manchmal sogar für mehrere Stunden am Tag hinlegen muss.
    Es ist eine Binsenweisheit, dass man nicht aufrecht steht, wenn man sich hinlegt, aber die Botschaft ist deutlich. Catherines Kreuzschmerzen bringen die Tatsache zum Ausdruck, dass sie sich nicht in der Lage fühlt, sich der Trennung und der damit verbundenen Unsicherheit zu stellen. Liegen zu bleiben ist ein Zeichen dafür, sich der Realität zu verweigern. Die Lendenwirbel stehen stellvertretend für das Gleichgewicht unserer Wurzeln. Die Trennung hat zu einer tiefen psychischen Verunsicherung geführt, die ihrerseits eine Verkrampfung der Lendenmuskulatur verursacht hat.
    Eines ist sicher: Seelische Beschwerden finden ihren körperlichen Widerhall.

    Posttraumatische Narben
    Ein Unfall verursacht unweigerlich einen Riss in der physischen und psychischen Schutzzone des Menschen, bedingt durch die Angst und die Belastung, die ein solches Erlebnis mit sich bringt. Es spielt keine Rolle, ob der Unfall selbst verschuldet war und ob es dabei zu einer offenen Verletzung oder Blutung gekommen ist. Das Trauma erzeugt negative Energie. Die Wucht des Aufpralls durchläuft den Körper, bis sie seinen Schwachpunkt erreicht hat, wo sie die größte Aussicht hat, eine Verletzung zu verursachen. Wird diese gut behandelt, scheinen zunächst keine Beschwerden zurückzubleiben. Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Sobald wir Opfer eines zweiten Traumas werden, besteht die Gefahr, dass das erste machtvoll wieder aufbricht, und zwar in völlig unerwarteter physischer oder psychischer Form.
    Der Therapeut kann die Schmerzen unterdrücken und den Schwachpunkt unseres Körpers wieder ins Gleichgewicht bringen, aber er kann nicht im eigentlichen Sinn des Wortes »heilen«. Von einem Angriff, einem Unfall oder Trauma kann man nicht vollständig genesen. Eine Spur bleibt zurück, man passt sich an und kompensiert. Auch wenn die Folgen des Ereignisses nicht tagtäglich zu spüren sind, die zugrunde liegenden Schmerzen können jederzeit wieder aufleben. Die Verunsicherung, die der Unfall verursacht hat, ist immer latent vorhanden. Das Ereignis hat unsere Seele und unsere Neuronen für immer geprägt und nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Narben hinterlassen. Physiologisch gesehen bringt eine Verstauchung, ein Bänderriss oder jede andere Gelenkverletzung eine Veränderung der umliegenden Gewebe mit sich. Wiederholt sich das Trauma mehrfach, löst es Veränderungen vom Typ der Arthrose aus, die sich weiterentwickeln können. Die vom Unfall ausgelösten Ängste und der Stress stoßen außerdem zum bisher Erlebten und den damit verbundenen Gefühlen dazu. Auch wenn der Zusammenhang zwischen den einzelnen Erfahrungen nicht direkt
offensichtlich ist, so fügt sich doch eine Emotion zur anderen, und irgendwann kommt der berühmte
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