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Die Sprache unserer Organe

Die Sprache unserer Organe

Titel: Die Sprache unserer Organe
Autoren: Jean-Pierre Barral
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bewusst? Merkwürdigerweise kann der Körper kleine Belastungen deutlicher wahrnehmen und spürt den Schmerz sofort, beispielsweise wenn man sich verbrennt oder in den Finger sticht.
    Bei einer schwereren Verletzung jedoch stehen wir über einen mehr oder weniger langen Zeitraum unter Schock, sind wie benommen, leiden unter einer Bewusstseinstrübung. Wir müssen erst wieder zu uns kommen, uns sammeln und uns klar machen, was passiert ist. Häufig ignorieren wir den Schmerz, den die Verletzung ausgelöst hat. Der Körper ist wie betäubt, das Gehirn wie abgeschaltet.
    Zeitversetzte Reaktionen
    Das Bewusstsein erwacht nach und nach und mit ihm der Schmerz. Je nach Verletzung, es kann zum Beispiel eine Ekchymose (eine Blutung der Haut), ein Hämatom, eine Verstauchung, eine Fraktur oder ein Bänderriss vorliegen, treten spezifische Schmerzen auf. Diese zeitversetzte Reaktion kann Stunden oder Tage nach dem Trauma auftreten. Unter gewissen Umständen können sogar Monate vergehen, bis wir einen Unfall als Realität akzeptieren, weil das Unterbewusstsein sich dagegen sträubt. Diese Weigerung sorgt für eine große psychische Spannung, die Auswirkungen auf den gesamten Körper hat, auch auf die Gelenke.
    Ein anderes Beispiel: Auch Marie ist Opfer eines schweren Verkehrsunfalls, sie erleidet mehrere Rippen- und Armfrakturen sowie eine Gehirnerschütterung. Direkt nach dem Unfall, als Freunde und Bekannte sie fragen, wie es ihr gehe, sagt sie immer nur »Gut. Das ist nicht weiter schlimm!« Ihre positive Haltung erstaunt ihre Freunde, die sie für zart gehalten hatten, und jeder lobt ihre Robustheit.

    Vorsicht vor zeitversetzten Reaktionen!
    Anne und ihre Enkelin Lucie haben einen Autounfall. Sie überschlagen sich mehrmals. Lucie erleidet eine Schädelverletzung und wird bewusstlos. Anne hat zahlreiche Prellungen und eine Beinfraktur.
    Solange ihre Enkelin im Koma liegt, hat Anne keine Schmerzen und klagt über nichts. Als Lucie wieder bei Bewusstsein ist, beginnt ihre Großmutter, unter ihren eigenen Verletzungen zu leiden. Seltsamerweise bekommt sie Schmerzen in der Schulter, obgleich andere Körperteile stärker verletzt waren. »Erstaunlich!« werden Sie sagen. Nein! Dafür gibt eine Erklärung. Annes Gehirn war vorrangig auf den Gesundheitszustand von Lucie konzentriert, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass alle Informationen aus ihrem eigenen Körper davon überlagert wurden. Sie fühlte sich schuldig. Als die Schmerzen erwachten, verlagerten sie sich auf Annes linke Schulter, die bereits vor dem Unfall eine Verletzung ohne offenkundige Folgen erlitten hatte. Das Gehirn scheint den Schwachpunkt »linke Schulter« als Ventil gewählt zu haben.
    Eines Tages jedoch, mehrere Monate nach dem Unfall, ändert sich Maries Gemütszustand. Sie ist plötzlich traurig und deprimiert, hat keinen Antrieb mehr. Nun erzählt sie ihren Freunden: »Ich wäre beinahe gestorben.« Die Angst, die sie lange verdrängt hatte, ist plötzlich in ihr Bewusstsein gelangt und hat sie völlig überrollt. Von diesem Augenblick an werden ihre bis dahin erträglichen Gelenkschmerzen unerträglich.
    Wir empfinden Schmerzen unterschiedlich, manchmal mag das Empfinden unverhältnismäßig zu einer Verletzung erscheinen. Die Stärke der Schmerzen entspricht auch nicht immer der tatsächlichen Schwere ihrer Ursache. Die eine Verstauchung kann stärker schmerzen als die andere.

    Wie hoch auch immer der Grad des Schmerzes ist, er gräbt sich physisch und psychisch in unseren Körper und unser Gehirn ein. Schmerz ist ein Signal, das den dringenden Bedarf einer Behandlung und eine Forderung nach Schutz ausdrückt.
    Die kumulativen Wirkungen von Verletzungen
    Unser Körper gleicht einem Computer. Er besitzt eine ungeheure Speicherkapazität, nichts wird vergessen. Erlittene Verletzungen häufen sich an und treten irgendwann mit einer unglaublichen Wucht wieder in Erscheinung, auf den ersten Blick zufällig. Vernachlässigen Sie Schocks und Verletzungen daher nicht. Zögern Sie nicht, einen Osteopathen, Kinesiotherapeuten oder sonstigen Therapeuten manueller Medizin aufzusuchen. Wenn auf dem Röntgenbild keine Verletzung mehr zu sehen ist, muss es Ihnen deshalb noch lange nicht gut gehen.
    Der emotionale Widerhall unserer Traumata
    Ein Trauma kann ein altes psychisches Leiden wieder aktiv werden lassen, umgekehrt kann ein psychisch belastendes Ereignis Auswirkungen auf ein Gelenk haben. Man weiß nie, in welchen Teil des Körpers das Gehirn seine
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