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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad
Autoren: Andrea Schacht
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auf meiner Reviergrenze saß ein Fremder.
    Ein dicker grauer Fremder.
    Ich plusterte mich auf und grollte ihn an.
    Er drehte sich um und sah mich mit großen, erstaunten und sehr goldenen Augen an.
    » Bin ich dir im Weg?«, fragte er.
    » Du bist in meinem Revier«, fauchte ich zurück.
    » Entschuldige, das wollte ich nicht.«
    » Dann verzieh dich!«
    » Ja, ist gut.«
    Na, der war aber seltsam zahm. Oder frech. Denn nach drei Schritten blieb er wieder stehen, setzte sich und blickte sich um.
    » Hey, du bist noch immer in meinem Revier!«
    » Verzeih, aber ich muss hier warten.«
    » Warten? Dass dir eine Ente ins Maul fliegt?«
    Unten am Ufer landeten zwei von den Vögeln laut schnatternd im Wasser.
    » Das tun die nicht«, sagte der Kater ganz ernsthaft.
    » Ach nee. Hast du sie wohl nicht nett genug drum gebeten, was?«
    » Ich weiß nicht. Zu Hause bekomme ich sie auf einem Teller serviert.«
    Oje, ein Stubentiger. Ein verweichlichter, verfetteter, verblödeter Zimmerheld. Ich gönnte ihm einen Blick voller Verachtung. Der wusste vermutlich gar nicht, was ein Revier war.
    » Dann sieh zu, dass du an deine gefüllten Näpfe zurückkommst, und lunger nicht in meinem Jagdgebiet herum.«
    » Ich nehm dir nichts weg. Nur … ich, ich weiß nicht …«
    Nein, der wusste nicht. Ich sah ihn mir noch mal genauer an. Er zitterte ein wenig unter seinem Fell. Und mir dämmerte was. Der Kater hatte sich verlaufen!
    Klar, in diesen Ort hier kamen immer wieder neue Menschen von überallher, um sich von ihren Krankheiten zu kurieren. Deshalb nannte man es auch Kurort. Sie brachten auch immer allerlei Bagage mit. Meist Koffer, Kisten und Dienstboten, manchmal auch verwöhnte, aufgeputzte Hunde. Katzen weniger. Aber der hier war vermutlich so ein Teil der Bagage.
    Und jetzt hatte er sich verlaufen.
    Keine ernst zu nehmende Gefahr also für mich, und so setzte ich mich hin und übte mich in Konversation. Ich mag zwar eine Streunerin sein, aber hin und wieder ist mir nach Unterhaltung.
    » Bist du zu Besuch?«, fragte ich ihn und zwinkerte, während ich zu ihm blickte, besänftigend mit den Augen.
    Er schloss die seinen auch kurz und sagte dann: » Vor drei Tagen eingetroffen. Und heute bin ich zum ersten Mal aus dem Zimmer geschlüpft. Aber es ist alles so verwirrend. Zu Hause haben wir nur einen kleinen Garten. Dieses Haus hier ist so groß und hat so viele Gänge. Dummerweise habe ich nicht alle Ecken markiert, weil so ein Junge mich da wegscheuchte.«
    » Kurzum, du hast dich verlaufen.«
    » Ja. Peinlich, nicht? Dir passiert so etwas bestimmt nicht.«
    Nein, das tat es gewiss nicht. Aber der dicke Trottel tat mir leid.
    » Kann schon vorkommen, in fremdem Gebiet. Verkriech dich an einen ruhigen Platz, und heute Nacht suchst du dann den Rückweg. Dann sind nicht mehr so viele Menschen unterwegs. Kannst in meinem Revier bleiben. Da, unter den Büschen ist ein gutes Versteck.«
    » Danke, aber ich bleibe besser sichtbar. Man wird mich suchen, denke ich.«
    » Meinst du?«
    » Ja. Mein Mensch mag mich. Er wird sich Sorgen um mich machen.«
    Solche gab es, stimmt.
    Der Kater stand auf und kam etwas näher. Er hielt mir seine schwarze Nase entgegen. Na gut. Dann war eben Höflichkeit angesagt. Ich stupste meine kurz dagegen.
    » Ich heiße Bouchon«, grummelte er.
    Wie passend. Ein Stopfen war er ganz gewiss.
    » Ich heiße Seraphina.«
    Plumps!
    Bouchon saß verdattert auf seinem Hintern.
    » Große Bastet! Verzeih!«
    » Schon gut. Ich sehe nicht so aus. Sina reicht. Ich habe mich für ein Leben in Unabhängigkeit entschieden.«
    » Sehr mutig. Mhm – ich habe es gewöhnlich recht bequem.« Und plötzlich zuckten seine Ohren, und die Barthaare bebten. Ich folgte seinem Blick. Ein Mann kam auf uns zu.
    » Dein Mensch?«, fragte ich.
    » Nein, aber sein Neffe Vincent. Mein Mensch ist der Freiherr von Poncet. Er ist ein großer Gelehrter. Aber er sagt, seine Galle zwickt ihn. Hier will er wieder gesund werden, und darum hat ihn sein Neffe hierherbegleitet.«
    Dieser Neffe – menschliche Verwandtschaftsbeziehungen sind mir immer etwas rätselhaft geblieben, Katzen haben es nicht so mit Familie – war ein jüngerer Mann, sehr aufrecht, sehr ernst, sehr steif, doch mit einem äußerst scharfen Blick. In einem offiziellen Anzug mit etwas Klimbim dran.
    Dennoch, seine Stimme klang sanft, als er Bouchons Namen rief.
    » Ich muss gehen, Seraphina. Es hat mich sehr gefreut, deine Bekanntschaft machen zu dürfen. Fürderhin werde ich
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