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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition)
Autoren: Olen Steinhauer
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Obergeschoss weinte, doch als sie anfing, ihn wild zu küssen, wurde ihm klar, dass die Tränen ihm galten. Sie überschüttete ihn mit Fragen, doch er wehrte ab. »Wo sind sie?«
    Sie führte ihn an der Hand nach oben, und in einem der Schlafzimmer entdeckte er Tina Weaver, die auf dem Bett saß und noch wütender dreinschaute als vor einigen Monaten im New York Methodist Hospital, nachdem ihr Mann angeschossen worden war.
    Auch diesmal lehnte Stephanie halb schlafend in ihrem Arm. Doch dann wachte sie blinzelnd auf. »Hi, Alan.«
    »Hi, Stef. Hi, Tina.«
    Tina gab ihrer Tochter einen Kuss. »Warte hier, kleine Miss. Ich muss mal kurz was mit Alan besprechen.«
    Stephanie sträubte sich nicht, und als sie sich der Treppe näherten, zischte Tina: »Am liebsten würde ich dich erwürgen.«
    Penelope versuchte zu vermitteln. »Er will uns doch nur helfen, Tina.«
    Dann schwiegen alle, bis sie unten waren. Hoang war nach draußen gegangen. Im Wohnzimmer fiel Tina über ihn her wie eine Furie. »Er hat mir gesagt, dass du verrückt bist. Er hat es mir gesagt, aber ich wollte es nicht wahrhaben.« Sie bohrte ihm den Finger in die Brust. » Du hast ihn da reingezogen. Du bist dafür verantwortlich, dass wir hier in der Pampa festsitzen.«
    Am liebsten hätte er sie aufgefordert, den Mund zu halten, aber das wäre in dieser Situation sicher nicht das Richtige gewesen. Also sagte er: »Ja, es ist meine Schuld. Alles.« Erst als er die Worte ausgesprochen hatte, fiel ihm ein, dass die beiden noch gar nichts von Jewgeni Primakow wussten. »Und jetzt versuche ich, das wieder in Ordnung zu bringen. Milo steckt in Schwierigkeiten. Die Chinesen bedrohen dich und Stephanie, um Milo zu erpressen.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil sie es bei mir genauso gemacht haben.« Er bemerkte Penelopes Bestürzung. »Deswegen hab ich euch alle aus der Schusslinie genommen. Und jetzt muss ich das Gleiche bei Milo machen.« Das war gelogen, aber wenn man eine Lüge von einer Wahrheit ableitet, ist das schwer zu erkennen.
    Doch Tina hatte anscheinend ein feines Gespür für solche Unterschiede. »Ich glaube dir kein Wort. Ich glaube es erst, wenn ich es von Milo persönlich höre.«
    »Du darfst ihn auf keinen Fall anrufen«, beschwor er sie. »Damit bringst du nur sein Leben in Gefahr. Dann wird der Anruf zurückverfolgt, und du und Stephanie seid als Nächste dran.«
    »Ihr Agenten lügt doch alle wie gedruckt.«
    Was sollte man darauf antworten? Nichts, außer: »Natürlich, aber das tun die anderen auch. Alle lügen, Tina, komm endlich zur Vernunft. Wenn du jetzt überstürzt handelst, setzt du das Leben deiner Tochter aufs Spiel.«
    Das nahm ihr den Wind aus den Segeln, aber nur ein wenig. »Also schön, und wie sieht dein glorreicher Plan aus?«
    »Ich will dir deinen Mann zurückbringen.« Auch das eine Lüge.
    Sie atmete laut durch die Nase und fuchtelte mit einem Arm. »Wir werden entführt , und das ist alles, was du mir erzählst?«
    »Ja, Tina. Das ist alles, was ich dir erzähle.«
    Sie verschränkte die Arme vor dem Bauch und wandte sich kopfschüttelnd ab.
    »Ihr werdet ein paar Tage allein sein, aber bleibt bitte unter euch. Entweder ich oder Milo, einer von uns beiden wird euch abholen, aber dann sollte schon alles geregelt sein.«
    Es war eine Art Erklärung, eine Art Plan für die Zukunft, doch als Penelope mit ihm nach draußen ging, legte sie gleich den Finger auf den wunden Punkt: »Was heißt es, wenn statt dir Milo kommt?«
    Er wusste, worauf sie hinauswollte. »Es heißt, dass meine Aufgabe noch nicht erledigt ist.«
    »Oder dass du tot bist.«
    »Das glaub ich nicht.« Er küsste sie auf die kleine Stupsnase.
    Für Notfälle ließen sie Hoangs Mietauto zurück, und auf dem Weg nach Denver erklärte Alan: »Wir müssen nach Hongkong.«
    Hoang schien das nicht weiter zu stören.
    »Ich melde mich in einem Hotel an, aber ich gehe nicht rauf ins Zimmer. Du ziehst ein.«
    »Wie lange dauert es, bis mir die Chinesen auf die Pelle rücken?«
    »Nicht lang, du musst dich also auf die Flucht vorbereiten.«
    »Und du?«
    »Ich bin woanders. Hauptsache, die denken, dass ich in dem Zimmer sitze.«
    Nach zwei Kilometern Schweigen sagte Hoang: »Du hast also eine Vereinbarung mit der Jugendliga?«
    Um ein Haar hätte Alan die Kontrolle über das Steuer verloren. Er hatte weder Hoang noch jemand anders von der Jugendliga erzählt. Der Name war zwar in der ersten Planungsphase gefallen, aber dann gestrichen worden, weil die
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