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Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
Autoren: Edward O. Wilson
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schon damals Mammuts im Vergleich zu Insekten und anderen, meist wirbellosen Tieren. Als nach dem Untergang der Dinosaurier das Zeitalter der Reptilien dem Zeitalter der Säugetiere Platz machte, breiteten sich die Säugetiere in Tausenden Arten aus und füllten etliche Nischen, von der Fledermaus, dem Jäger fliegender Insekten, bis zu den riesigen, Plankton fressenden Walen, die vom Nord- bis zum Südpol durch die Meere ziehen. Die kleinste Fledermaus ist so groß wie eine Hummel, und der Blauwal, der bis zu 33 Meter lang und bis zu 120 Tonnen schwer ist, ist das größte Tier, das je auf der Erde gelebt hat.
    Während der adaptiven Radiation der Landsäugetierarten überschritten einige irgendwann das Gewicht von zehn Kilogramm, etwa Hirsche und andere Pflanzenfresser, außerdem große Raubkatzen und weitere Fleischfresser, die sie als Beute nutzten. Wahrscheinlich gab es weltweit zu jedem beliebigen Zeitpunkt zwischen 5000 und 10.000 verschiedene Arten. Zu ihnen gehörten die Altweltprimaten und dann, im späten Eozän vor etwa 35 Millionen Jahren, die ersten Catarrhini, darunter die Arten, aus denen sich die heutigen Altweltaffen entwickeln sollten, also geschwänzte Altweltaffen und Menschenartige. Vor etwa 30 Millionen Jahren spaltete sich die Evolution der geschwänzten Altweltaffen von der der modernen schwanzlosen Affen und Menschen ab. Manche der stark anwachsenden Arten dieser Hominoiden spezialisierten sich auf den Konsum von Pflanzen, andere auf Fleisch, das sie sich als Jäger oder Aasfresser verschafften. Einige wenige ernährten sich aus einer Mischung von beidem. Aus einer der Verzweigungen der Säugetier-Radiation entstand die frühe vormenschliche Linie.[ 2 ]
    Nicht nur wegen ihrer Größe waren die Vormenschen radikal neuartige Kandidaten in Sachen Eusozialität. Insekten stecken seit ihrem Aufkommen in der ersten Landvegetation im frühen Devon vor etwa 400 Millionen Jahren bis zum heutigen Tag in der Ritterrüstung eines Außenskeletts aus Chitin. Am Ende jeder Wachstumsphase müssen sie neue, aufwändigere Panzer ausbilden und den alten, darunterliegenden abwerfen. Während die Muskeln von Säugetieren und anderen Wirbeltieren um die Knochen herum liegen und an ihrer Außenfläche angreifen, sind die Muskeln von Insekten von ihrem Chitinskelett verkleidet und müssen von innen daran angreifen. Deswegen können Insekten nicht so groß werden wie Säugetiere. Die weltgrößten Insekten sind der afrikanische Goliathkäfer, der die Größe einer Menschenfaust erreicht, und Wetas, eine fast genauso große Schreckenart in Neuseeland, die in Abwesenheit von Mäusen auf dieser entlegenen Inselgruppe deren ökologische Rolle einnehmen.
    Zudem können eusoziale Arten die Insektenwelt nach der Zahl der Einzeltiere zwar dominieren, aber sie mussten bei ihrer Eroberung mit kleinen Gehirnen zurechtkommen und konnten ausschließlich auf Instinkte zurückgreifen. Dazu kommt ein wesentlicher Punkt: Sie sind zu klein, um Feuer zu entfachen und zu kontrollieren. Egal, wie viele Erdzeitalter noch vergehen, sie hätten Eusozialität niemals so ausbilden können wie der Mensch.
    Einen Vorteil freilich hatten die Insekten auf ihrem mühsamen, verschlungenen Weg zur Eusozialität: Sie besitzen Flügel und können sich über Land viel schneller bewegen als Säugetiere. Der Unterschied wird besonders deutlich, wenn wir den Maßstab anpassen. Eine Menschengruppe, die eine neue Kolonie gründen möchte, kann an einem Tag bequem zehn Kilometer zurücklegen, um von einer Lagerstätte an eine andere zu wandern. Eine frisch begattete Feuerameisenkönigin, um ein typisches Beispiel aus den Tausenden Ameisenarten herauszugreifen, kann in wenigen Stunden etwa dieselbe Distanz zurücklegen, um eine neue Kolonie zu gründen. Beim Landen bricht sie ihre Flügel ab, die aus totem Gewebe bestehen (wie beim Menschen Haare und Fingernägel). Dann gräbt sie sich ein kleines Nest in den Boden und zieht darin eine Brut von Arbeiterinnen auf, wobei sie auf die Fett- und Muskelreserven ihres eigenen Körpers zurückgreift. Ein Mensch ist etwa zweihundert Mal so groß wie eine Feuerameisenkönigin. Der zehn Kilometer weite Flug einer Ameise entspricht, vom Menschen aus gesehen, also den 640 Kilometern Luftlinie zum Beispiel von München nach Lübeck. Selbst der halbminütige Flug über hundert Meter, die eine geflügelte Ameise von ihrem Geburtsnest an einen eigenen Nistplatz zurücklegt, entspricht im Maßstab eines erdgebundenen
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