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Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
Autoren: Edward O. Wilson
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nämlich die höchst sozial geprägten Ameisen, Bienen, Wespen und Termiten; genau das werde ich tun. Wir brauchen sie, um für die Entwicklung der Theorie von der sozialen Evolution eine Perspektive zu schaffen. Mir ist klar, dass ich mich der Missverständlichkeit aussetze, wenn ich Insekten neben den Menschen stelle. Affen sind ja schon schlimm genug, könnte man sagen, aber Insekten? In der Humanbiologie ist es aber immer von Nutzen, solche Gegenüberstellungen vorzunehmen. Dieser Vergleich des Geringeren mit dem Höheren hat viele Vorläufer. Sehr erfolgreich haben sich Biologen mit Bakterien und Hefen beschäftigt, um die Prinzipien der menschlichen Molekulargenetik herauszuarbeiten. Um die Grundlagen unserer Neuronalstruktur und des Gedächtnisses zu verstehen, haben sie mit Spulwürmern und Weichtieren gearbeitet. Und das Modell der Taufliege hat uns eine Menge über die Entwicklung menschlicher Embryonen verraten. Wir können von den sozialen Insekten mindestens genauso viel lernen; in diesem Fall erhalten wir so einen zusätzlichen Hintergrund für den Ursprung und den Sinn der Menschheit.

II.
WOHER KOMMEN WIR?

2.
DIE BEIDEN PFADE DER EROBERUNG
    Menschen erschaffen Kulturen dank ihrer plastischen Sprachen. Wir erfinden Symbole, die unter unseresgleichen verstanden werden sollen, und damit generieren wir Kommunikationsnetzwerke, die um ein Vielfaches größer sind als die jedes anderen Tiers. Wir haben die Biosphäre erobert und sie mit Abfall überschüttet wie keine andere Art in der Geschichte des Lebens. In dieser Leistung sind wir einmalig.
    In unseren Emotionen aber sind wir nicht einmalig. Dort findet sich, wie in unserer Anatomie und im Gesichtsausdruck, was Darwin den unauslöschlichen Stempel unserer tierischen Vorfahren nannte. Wir sind ein evolutionäres Mischwesen, eine Chimärennatur, wir leben dank unserer Intelligenz, die von den Bedürfnissen des tierischen Instinkts gesteuert wird. Deswegen zerstören wir gedankenlos die Biosphäre und damit unsere eigenen Aussichten auf dauerhafte Existenz.
    Die Menschheit ist ein großartiger, aber fragiler Triumph. Unsere Spezies beeindruckt deswegen noch mehr, weil wir der Höhepunkt eines Evolutionsepos sind, dessen Fortgang ständig äußerst gefährdet war. Meistens waren die Populationen unserer Vorfahren sehr klein, so klein, dass im Lauf der Geschichte der Säugetiere immer die Möglichkeit des vorzeitigen Aussterbens bestand. Alle vormenschlichen Gruppierungen brachten es zusammengenommen auf eine Population von höchstens wenigen zehntausend Individuen. Sehr früh schon spalteten sich die vormenschlichen Vorfahren in zwei oder mehr gleichzeitige Linien auf. Damals betrug die durchschnittliche Lebenszeit einer Säugetierart nur eine halbe Million Jahre. Nach diesem Prinzip starben auch die meisten vormenschlichen Seitenlinien aus. Die eine, aus der sich der moderne Mensch entwickeln sollte, steuerte mindestens einmal und in den letzten 500.000 Jahren wahrscheinlich mehrmals auf das Aussterben zu. Das Epos hätte an einer solchen Engstelle leicht zu Ende sein können, für immer erloschen in einem geologischen Wimpernschlag. Grund dafür hätte eine schwere Dürre zur falschen Zeit am falschen Ort sein können oder eine von anderen Tieren in die Population eingeschleppte Krankheit oder der äußere Druck von anderen, durchsetzungsfähigeren Primaten. Gefolgt wäre dem – gar nichts. Die Evolution der Biosphäre hätte neu ausgeholt und nie wieder zu dem geführt, was wir geworden sind.
    Die Evolution der sozialen Insekten, die heute zu Land die Welt der Wirbellosen beherrschen, fand zum Großteil vor weit mehr als 100 Millionen Jahren statt. Nach Schätzung von Experten gibt es Termiten seit der Mitteltrias vor 220 Millionen Jahren; Ameisen seit dem späten Jura oder der frühen Kreidezeit vor etwa 150 Millionen Jahren; und Hummeln und Honigbienen seit der späten Kreidezeit vor etwa 70 bis 80 Millionen Jahren. Danach und für den Rest des Mesozoikums wuchs die Vielfalt der Arten in diesen verschiedenen Evolutionslinien zeitgleich mit dem Aufkommen und der Ausbreitung der Blütenpflanzen beständig an. Immerhin konnten Ameisen und Termiten ihre heute spektakuläre Dominanz unter landbewohnenden Wirbellosen erst erwerben, nachdem sie schon lange Zeit existiert hatten. Ihre gesamte Macht erwuchs graduell, es gab eine Innovation nach der anderen, bis vor 65 bis 50 Millionen Jahren das heutige Niveau erreicht war.[ 1 ]
    Während sich
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