Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
– nach hinten zu den Reitern und zu Stodaert schauten, hatte er sich lautlos auf seinem Tier dem Kutschbock genähert und Gyffs angesprungen.
    Sie schrie. Keine Worte oder Befehle. Es war einfach nur ein Schrei. Sie spürte, wie sie den Kutschbock unter Füßen und Gesäß verlor und fiel.
    Kertz bellte: »Leutnant!«
    MerDilli brüllte: »Fergran! Achtung!«
    Von den Holtzenauen duckte sich. Doch die beiden anstürmenden Reiter schlugen gar nicht nach ihm. Sie ritten abermals an der Sichtöffnung, am ganzen Wagen vorbei und berührten links und rechts die Plane.
    Gyffs prallte auf den schwammigen Boden, der Affenmensch war an ihr dran und wütete in der Enge. Seine Hände waren behaart und langfingerig. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, die Knochenmaske ließ ihn wie einen Dämon aus einem Senchaktempel aussehen, wie ein Wesen, das die Götter bekämpft und niedergerungen hatten, um den Kontinent der Menschen zu formen. Loa Gyffs wehrte sich mit aller Kraft, aber der Knochendämon fasste nach ihrer Brust und quetschte sie. Dann ließ er sie los.
    Von oben herab stürzte »Scheusal« Jeo Kertz. Mit einem schrillen Schrei warf sich der Soldat auf den Gegner, um seinem Leutnant beizustehen. Der Affenmensch traf ihn mit einem krachenden Rückhandschlag. Kertz prallte stöhnend in den Staub und rührte sich nicht mehr.
    Gyffs hieb mit beiden Fäusten nach dem Gegner. Auch sie wehrte er ab. Sie nahm seine beiden Gefährten wahr, die Reiter, wie sie seitlich an sie herantänzelten. Die Einhörner sahen aus, als würden sie grinsen. Ihr Götter! , durchfuhr es sie, und alle Gräuelgeschichten, die sie jemals über Frauen im Krieg gehört hatte, rührten sich in ihr. Beinahe musste sie sich übergeben.
    Von oben fiel jetzt MerDilli. Ihre Männer tropften alle wie Regen von dem Wagen. Anstatt eine sinnvoll koordinierte militärische Aktion durchzuführen, verloren sie alle die Beherrschung und scheiterten vereinzelt. Aber wer hätte sie denn auch koordinieren sollen? Waren sie denn nicht heute mehr oder weniger aller ihrer Vorgesetzten verlustig gegangen?
    Auch MerDilli wurde von dem Affenmann einfach beiseitegewischt. MerDilli, der Stärkste der gesamten Kompanie. Der Affenmann schien über unglaubliche Kräfte zu verfügen, obwohl von den Holtzenauens Pfeil in ihm steckte. Sie spürte den muskulösen Unterleib, der auf dem ihren saß.
    Nun packte er wieder ihre hilflosen Hände und kam mit seiner Maske ganz nahe an sie heran. Sie spürte jetzt auch den Pfeil, der in ihm steckte. Mit dem gefiederten Schaft streifte sie ihr Feind einmal. Als würde er dadurch Schmerzen auf sie ableiten, zuckte sie unter diesem hölzernen Streicheln zusammen. Sein Atem quoll heiß unter den Knochenplatten hervor und roch nach Nelkenöl.
    Dann hörte sie seine Stimme. Er raunte ihr etwas ins Ohr. Es klang, als würde ein Wolfshund sprechen.
    »Ssage Oberweib von Mensch, wirr werrdan ein Golkhor machan aus ihr Haus!«
    Gyffs begriff überhaupt nichts mehr. Die Affenmenschen konnten sprechen, noch dazu in ihrer Sprache? Aber was war ein Golkhor? Hatte Onjalban dieses Wort nicht vorhin gebraucht? Der Name jener Affenmenschenbehausung, die auf dem Feldzug der Königin vernichtet worden war?
    Der Affenmensch ließ sie nun los und stieg von ihr herunter. Sie hatte ganz vergessen, sich zu wehren. Einer seiner Mitreiter hielt ihm die Zügel seines Tieres hin, und er schwang sich münzenklirrend in den Sattel. Seine Hosen, sein Wams, seine Haut – alles schien aus knittrig gegerbtem Leder zu bestehen. Sie wünschte sich, sein Gesicht sehen zu können. Es war reine Neugier. Und gleichzeitig fragte sie sich, welche Bedeutung schon ein Gesicht hatte. Im Krieg oder anderswo.
    Die drei Affenmenschen ritten an. Sie wollten tatsächlich fort, zurück zu ihresgleichen. Ohne die besiegten Menschen zu töten, die alle weich auf der Erde lagen wie etwas sinnlos Verschüttetes.
    Dann folgten ein sirrendes Geräusch und ein dumpfer Einschlag. Oben im Wagendeck erschien Fergran von den Holtzenauen. Sein Gesicht glänzte vor Anspannung. Er hatte geschossen. In dem Affenmann, der Gyffs etwas ins Ohr geraunt hatte, steckte nun ein zweiter Pfeil.
    »Nein!«, sagte Gyffs matt. Sie hob die Hand. »Nicht … schießen!« Doch es war bereits zu spät. Ein Pfeil war schneller als ein Wort.
    Der Affenmann ruckte im Sattel. Seine Beine zuckten. Sein Einhorn stieg halbhoch auf die Hinterhand. Seine beiden Gefährten schienen etwas in ihrer eigenen Sprache zu rufen. Von den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher