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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin
Autoren: Tanja Kinkel
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damit nichts zu tun. Es ist die Aufgabe eines Mannes...«
    »Sich von Weibern ausbeuten zu lassen«, schnitt Romulus ihm das Wort ab. »Ganz offensichtlich hast du ein inneres Bedürfnis danach. Gut, nimm sie mit. Aber was auch immer mit ihr geschieht, sie ist deine Sache. Ich will keine Klagen hören, nicht von dir, nicht von den Männern.«
    Nicht zum ersten Mal sprach Romulus, als ob ihn irgend jemand zum alleinigen Anführer gemacht hätte. Für diesmal ließ es ihm Remus noch durchgehen. Doch er beschloß, seinen Bruder, sobald dieser wieder etwas mehr Anzeichen von Normalität zeigte, daran zu erinnern, daß sie beide gleichgestellt waren.
    Nach dem Aufbruch wurde es zwischen ihnen nicht besser. Romulus sprach mit jedem Bettler, der von ihnen gehört hatte und ihnen nachlief, mehr als mit ihm und änderte bei den wenigen Worten, die er gelegentlich an Remus richtete, weiterhin nichts an seinem höhnischen Ton. Immerhin hielt Antho sie nicht so sehr auf, wie Remus heimlich befürchtet hatte. Die Männer, die sie zunächst mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Neugier begutachtet hatten, rissen sich bald darum, ihr einen Platz auf einem Karren oder auf einem Pferd zur Verfügung zu stellen und sich um die Bündel ihres Gepäcks zu kümmern. Sie lachte und scherzte mit ihnen und weinte nur gelegentlich, meistens an einer starken Schulter, auch wenn Remus sie hin und wieder dabei ertappte, wie sie mit einem verlorenen Blick in die Richtung flußabwärts starrte, aus der sie kamen.
    »Die Troßhure, wie ich es mir gedacht hatte«, kommentierte Romulus, als Remus eine Bemerkung darüber machte, daß man Antho für eine verzogene Fürstentochter eigentlich recht gern haben könne. Aus irgendeinem Grund war es dieser Satz, der bei Remus das Faß zum Überlaufen brachte.
    »Für jemanden, der so gut mit Worten umgehen kann«, entgegnete er schneidend, »bist du bei deinen Beschimpfungen von Frauen erstaunlich einseitig. Huren, Huren, Huren. Man möchte meinen, du vermißt etwas.«
    Die Augen seines Bruders verengten sich zu schmalen Schlitzen.
    »Nun, ganz sicher bin ich nicht so vertraut mit ihnen wie du«, gab Romulus zurück. »Du bist derjenige, der von ihnen geliebt wird.«
    Damit machte er auf dem Absatz kehrt und kam erst am frühen Morgen wieder in das Lager, das sie für die Nacht aufgeschlagen hatten, zurück. Remus hätte sich ohrfeigen können, doch was gesagt war, war gesagt. Außerdem änderte sein Bedauern nichts daran, daß sein Groll über das Verhalten von Romulus sich steigerte, statt abzunehmen, vor allem, weil Romulus ihm am nächsten Tag wieder keine Gelegenheit gab, über das leidige Thema zu sprechen.
    »Dein Bruder braucht jemanden, der ihm den Kopf zurechtsetzt«, sagte Antho, als Remus seine verwandtschaftliche Pflicht erfüllte und sie eine Zeitlang auf seinem eigenen Pferd reiten ließ. »Eure Leute sprechen vielleicht kein gutes Rasna, aber das verstehe ich schon, daß sie Angst vor ihm haben.«
    »Sie verehren ihn«, verbesserte Remus sie, teils gekränkt um Romulus’ willen, teils um es richtigzustellen, und teils aus dem ihm zutiefst unbehaglichen Gefühl der Eifersucht heraus.
    »Das auch«, gab Antho zu. »Aber sie verstehen ihn nicht, das, was er will, meine ich. Meinen Vater, den hat jeder verstanden, das dachten zumindest alle, und deswegen waren sie auch zufrieden, bis diese gräßlichen Gerüchte auftauchten. Bei deinem Bruder weiß man nie, was er als nächstes tut, und ob es etwas Gutes oder Schlechtes ist.«
    »Er hat eine schwere Zeit hinter sich.«
    »Pah! Das habe ich auch. Mein Vater ist tot, ich werde ständig von Mücken zerstochen und sitze auf fürchterlich unbequemen Pferden und Karren, aber führe ich mich deswegen auf, als sei ich Achilles?«
    Diese Mischung aus treffender Beobachtung und Albernheit verblüffte Remus so sehr, daß er sich an eine unwesentliche Einzelheit klammerte, weil er nicht wußte, was er zu dem Kern ihrer Bemerkung sagen sollte.
    »Was weißt denn du über Achilles?«
    »Das könnte ich dich auch fragen, aber mir fällt gerade ein, daß du derjenige bist, der mit Ilian zu den Griechen gereist ist. Auch in unseren Palästen spielen Barden, weißt du, und manchmal höre ich ihnen auch zu. Vor allem, wenn sie gut aussehen.« Ihre Stimme veränderte sich und wurde für Antho ungewöhnlich ernst. »Aber ich meine, was ich sage, Remus. Achilles hatte vielleicht die Muße, in seinem Zelt zu sitzen und zu grollen, bis man ihm Abbitte leistete, aber
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