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Die Socken des Kritikers

Die Socken des Kritikers

Titel: Die Socken des Kritikers
Autoren: Werner Schneyder
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und Prinzipalin keine schlechte Gage zahlten. Natürlich war noch eine Kraft im Betriebsbüro nötig – das war auch eine Freundin –, und die Jobs am Abend – Buffet, Kasse, Garderobe – übernahmen junge Leute, begeistert, nebenberuflich.
    Nach der Vorstellung feierten wir im Haus der Prinzipale, die nur baten, wegen der schlafenden Kinder nicht zu laut zu sein. Aber da nicht nur wir, sondern auch etliche Freunde der In-Group des Theaters sich betranken, standen irgendwann zwei verschlafene, aber doch gut aufgelegte Kinder im Pyjama im Raum und beteiligten sich eine Zeit lang am Fest.
    Mir ist in Erinnerung, dass mich der Prinzipal nach meiner Meinung zu einigen Produktionen fragte, die einzuladen er plante, mir ist auch in Erinnerung, wie sehr mir die Prinzipalin gefiel. Ich habe es ihr auch gesagt, so weit so etwas möglich ist im Hause der Familie, in der Nacht vor der Weiterreise. Das nähere Befassen mit der Prinzipalin wurde auch dadurch erschwert, dass immer wieder Leute aus der Gesellschaft von uns Tourneemenschen wissen wollten, ob man gerne in die Provinz käme, wie man sich in der Provinz fühle und wie man die Aktivitäten in der Provinz beurteile. Ich betete zum wiederholten Male meine Litanei, wonach es im audiovisuellen Zeitalter Provinz im qualitativen Sinn nicht mehr gäbe, Provinz allenfalls ein geografischer, keinesfalls aber ein kultursoziologischer Begriff sein könne. Ich konnte viel erzählen von Orten außerhalb der Groß- und auch der Mittelstädte, wo sich interessierte Menschen mit Kultur viel regelmäßiger und viel dichter auseinandersetzen, als das in Großstädten denkbar ist. Ich erzählte den Leuten, wie viele der Intelligenz zuzurechnende Menschen den Wohnort Kleinstadt vorzögen, und ich bekannte, vor diesem Entschluss größten Respekt zu haben. Es ist unvermeidlich, sich in Gesellschaften wie dieser mit Äußerungen wie diesen beliebt zu machen. Das ist aber nicht der Grund, diese Ansicht zu vertreten, sie war und ist die meine.
    Die auffallendste Figur neben den Hausleuten war der in der Schilderung der Vorgeschichte schon erwähnte Kulturpolitiker. Ein Mann in einem seidig glänzenden grauen Anzug mit schwarzem Rollkragenpullover, den er mit Sicherheit nur an Abenden wie diesem zu tragen pflegte, einer leisen, überkultivierten Sprechweise und mit einem nie leer werdenden Weinglas in der Hand. Der Mann erzählte vom glücklichen Zusammentreffen seiner seit Jahren vertretenen Initiative für ein Kulturzentrum mit den Fähigkeiten und dem Geist der Theaterleiter.
    »Ich glaube, Sie nennen sie, wenn ich es richtig gehört habe, Prinzipal und Prinzipalin. Ich werde, mit Ihrer Erlaubnis und selbstredend unter Wahrung des Urheberrechtes, von diesen Bezeichnungen Gebrauch machen«, sagte er.
    »Aber gerne«, gab ich mich konziliant.
    »Es war nicht einfach, diese Kommunalpolitiker unter einen Hut zu bringen, das können Sie mir glauben, es herrscht doch in weiten Kreisen immer noch die Meinung, man bekäme Kultur ganz umsonst«, führte der Kulturpolitiker ergänzend aus. »Ich habe da viel Wühlarbeit leisten müssen, aber wenn sich unser
Theater im Ort
so entwickelt, wie es den Anschein hat, dann können wir mit Sicherheit in ein, zwei Jahren schon weiterdenken.«
    »Wieso weiterdenken?«, fragte ich. »Es ist doch alles schön so, wie es ist.«
    Der Kulturpolitiker sah mich an wie einen, den er offenbar überschätzt hatte.
    »Aber ich bitte Sie, es wäre doch auf die Dauer keine Leistung, auf diesem Niveau stehen zu bleiben, ich glaube auch kaum, dass der Prinzipal, wie ich ihn kenne, und vor allem die Prinzipalin« – er ließ seine Blicke wohlgefällig auf ihr ruhen – »sich damit auf Dauer zufriedengäben.«
    Ich war mit Sicherheit der letzte Gast der Gastspielfeier, habe nur unklare Erinnerungen an den Abschied, was wegen des guten Rufes der Prinzipalin sicher von Vorteil ist.
    Prinzipal und Prinzipalin kamen noch zum Frühstück ins Hotel. Wir mussten uns nicht anstrengen, ihnen zu sagen, dieses Gastspiel wäre das schönste seit langem gewesen. Der bezaubernde Ort, die perfekte Kulturzelle, die liebenswerten Gastgeber, all das waren Gründe, ein baldiges Wiedersehen abzusprechen. Lange winkten Prinzipal und Prinzipalin dem Tourneebus nach, bis er hinter der Kirche verschwand.
    Es dauerte länger als erwartet, bis es zur Wiederbegegnung kam. Einmal hatte das
Theater im Ort
die möglichen Termine blockiert, dann waren wieder wir in einer ganz anderen Gegend. Aber so
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