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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil)
Autoren: Ines Thorn
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konnte. Zu viel war geschehen. Hatte er sie wirklich immer geliebt? Oder war es die Rache, die ihn bewogen hat, sie zu heiraten? Sie versuchte durch seine Augen in seine Seele zu sehen, doch es gelang ihr nicht. Manchmal hatte sie den Eindruck, als wäre seine Liebe zu ihr so unendlich groß und stark, dass sie es kaum fassen konnte. Dann aber dachte sie an die Geschichte Adams – und fürchtete sich.
     
    Wieder war ein neues Jahr angebrochen. Mattstedts Grab lag unter einer dichten Schneedecke.
    Es war bitterkalt. In der Vorstadt erfroren einige Menschen in ihren ärmlichen Hütten.
    Eva saß nach der Arbeit meist im Wohnzimmer vor dem Kamin und stickte. Fast immer gesellte sich David zu ihr, kurz vor der Fastnacht machte er einen weiteren Annäherungsversuch: «Ich weiß, wie sehr du Feste liebst. Ich werde dir zur Fastnacht eine Maske machen, die schöner wird als alles, was es bisher in Leipzig gab», sagte er und streichelte durch den Stoff des Kleides hindurch ihr Knie.
    Dann führte er sie in die Werkstatt und maß mit dem Zirkel in ihrem Gesicht herum. «Ich weiß, dass du es nicht magst, den Ton für einen Abdruck auf deiner Haut zu haben. Deshalb messe ich und werde den Abdruck anhand der Maße herstellen.»
     
    Die Fastnacht kam und mit ihr Wogen von verkleideten Menschen, die sich auf den Straßen und Plätzen der Stadt vergnügten. Alle Schänken hatten geöffnet, der Markt war voller Stände, an denen gewürzter Wein verkauft wurde.
    Musikanten zogen durch die Stadt, die Innungen führten Umzüge auf, fremde Menschen fassten sich an den Händen und tanzten in den Straßen und Gassen der Stadt.
    Susanne hatte mit Regina und Priska das Haus verlassen. Obwohl ihre alte Fröhlichkeit und die Hochnäsigkeit einen argen Dämpfer erlitten hatten, war Susanne immer noch für jedes Vergnügen zu haben. Sie und Regina hatten sich als Königinnen verkleidet und verrieten damit mehr über sich als mit jedem anderen Kostüm. Priska hingegen war wie immer gekleidet. Eva hatte lächeln müssen, als sie die drei sah.
    Auch Heinrich war unterwegs, und Eva ahnte nur, dass er das Fastnachtstreiben nicht allein genießen würde, ebenso wenig wie Adam, der sich dem Umzug der medizinischen Fakultät angeschlossen hatte.
    David kam aus der Werkstatt und überreichte Eva die Maske, die er gefertigt hatte. Sie war ganz aus Silber und ging ihr bis zur Nasenspitze. Der Mund war frei, ebenso die Augenpartie. Eva hielt die Maske in der Hand, ungute Erinnerungen stiegen in ihr auf. Doch sie vertrieb die dunklen Gedanken. Zur Fastenzeit trugen alle Masken. Sie setzte sie auf und betrachtete David, der sich eine ebensolche Maske angefertigt hatte. Auch sein Gesicht war bis zur Nase mit Silber bedeckt.
    Sie verließen das Haus, tauchten gemeinsam ein in das Getümmel. Die Nacht war wieder kalt geworden. Schnee fiel in großen Flocken vom Himmel, setzte sich wie Daunenkissen auf die Dächer und verzauberte die Stadt.
    Eine Gruppe Narren kam vorbei, umkreiste Eva und David, lachte und zog weiter.
    Auf dem Markt kaufte David für Eva ein Herz aus Kuchen, dann liefen sie durch die Petersstraße bis zum Sporergässchen, überquerten den Burgplatz und den Pleißenmühlgraben und waren schließlich in der Pleißenburg angelangt. In allen Gängen und Sälen tummelten sich Maskierte. Eine Frau sprach Eva an, und an der Stimme erkannte sie, dass es Ute war. Sie zog Eva in einen Kreis, der einen ausgelassenen Reigen tanzte. Eva wirbelte herum. Eine Gestalt, deren Gesicht unter einem schwarzen Schleier verborgen war, kam auf sie zu.
    «Ich bin der Tod», sagte eine Stimme, die Eva noch nie gehört hatte. «Ich bin gekommen, um dich zu holen.»
    Eine Hand griff nach ihrer Maske, und Eva schrie auf. Doch der Tod lachte, ließ sie los und tanzte davon.
    Sie sah sich nach David um. Er stand mit dem Rücken zum Fenster, hielt einen Becher heißen Wein in der Hand und betrachtete sie lächelnd.
    Sie ging zu ihm. «Der Tod wollte mich holen», sagte sie und lachte, obwohl ihr der Schreck noch immer in den Gliedern saß. «Aber du bist ihm entkommen», erwiderte David und strich über ihr Kinn.
    «Amüsierst du dich nicht?», fragte Eva. David schüttelte den Kopf. «Mir ist nicht wohl. Am liebsten wäre ich zu Hause.»
    Eva nahm seinen Arm. «Gut, dann lass uns gehen.»
    David machte sich los. «Nein, ich möchte dir den Spaß nicht verderben. Bleib du. Ich gehe allein und bitte einen der Stadtknechte, dich später nach Hause zu bringen.»
    «Ich gehe
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