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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil)
Autoren: Ines Thorn
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Gesellin übernehmen. Regina aber ist als Weib geboren. Sie ist dafür gemacht, Kinder zu haben und einem Haushalt vorzustehen. Bald schon wird sie einen finden, der sie heiratet. Sie hat inzwischen bessere Manieren als ihre Geschwister in der Vorstadt, doch sie will keine Unabhängigkeit. Ihr Leben wäre dort ähnlich verlaufen. Sie ist die geblieben, die sie war, nur die Umgebung ist weniger ärmlich.»
    Ute, Hildegard und sogar Adam bestätigten, was Eva von den Zwillingen berichtete.
    «Ist es nun so, dass nicht die Herkunft, sondern der freie Wille den Menschen macht? Ist es das eigene Bewusstsein, das den Weg zum richtigen Platz zeigt?», fragte Johann von Schleußig.
    Die anderen nickten. Der Priester, in dessen Haus die Fraternitätssitzungen nun stattfanden, stand auf. «Auch wenn Ihr dieser Meinung seid, so wird es wohl noch lange dauern, bis sich diese Erkenntnis durchsetzt. Ich habe Besuch von weit her, den ich Euch gerne vorstellen möchte.»
    Er ging hinaus und kam kurz darauf mit einer Frau wieder, deren Gesicht von Leid und Elend ganz grau war.
    «Erzählt, was Euch widerfahren ist, Elsnerin.»
    Die Frau setzte sich und nahm einen langen Zug aus einem Wasserbecher. «Christine heiße ich», begann sie. «Und ich komme aus dem Schwäbischen. Wie Ihr wohl wisst, haben sich dort die Bauern erhoben und sich zum Bundschuh zusammengeschlossen. Der Meine, Joachim Elsner genannt und Wagenmacher von Gewerk, gehörte zu den Anführern einer Rotte, die sich aus mehreren Dörfern und Weihern gebildet hat. Gemeinsam zogen die Bauern zur Burg des Herrn, der uns so viele Abgaben abpresste, dass wir unsere Kinder nicht mehr satt bekamen. Die Rotte war mit Mistgabeln und Stöcken bewaffnet. Als sie zur Burg kamen und nach dem Herrn riefen, schütteten Landsknechte heißes Pech von den Burgzinnen auf ihre Köpfe. Viele starben bereits da, die Rotte zerstreute sich. Am nächsten Tag kamen die Mönche des nahen Klosters. Sie steckten unsere Hütten in Brand und knüpften unsere Männer entlang der Landstraße auf. Auch der Meine war darunter. Mir blieb nur, mich zu verstecken. Das Kind hatte ich an der Brust. Es schrie, als die Männer auch unsere Hütte und die Stellmacherei in Brand steckten. Ich hielt ihm den Mund zu, und es starb mir unter den Händen.»
    Die Frau hörte auf zu reden. Tränen liefen über ihr Gesicht. Hildegard füllte ihren Wasserbecher nach. Es dauerte noch eine kleine Weile, bis sie sich beruhigt hatte und weitersprechen konnte: «Ich konnte mich verbergen und fliehen. Tagelang bin ich durch das Land geirrt. Gute Leute gaben mir zu essen und zu trinken. Dann hörte ich, dass in Leipzig die Neue Zeit Einzug hält, und machte mich auf den Weg.»
    Christine Elsnerin lächelte: «Wenn hier auch noch vieles so ist wie anderswo, so habe ich doch hier Menschen getroffen, die das Neue wollen.»
    Alle hatte die Rede der Elsnerin beeindruckt. Ute stand auf und umarmte sie. «In meinem Haus seid Ihr jederzeit gern gesehen», sagte sie. Auch Hildegard war gerührt. «Ich werde Euch mit in das Beginenhaus nehmen. Dort könnt Ihr bleiben, bis Ihr wisst, wie es mit Euch weitergeht.»
    Christine lächelte: «Ich danke Euch, Ihr guten Leute. Und ich gelobe vor Euch, dass ich alles dafür tun werde, dass mein Mann und meine Nachbarn, mein Kind und meine Brüder und Schwestern nicht umsonst gestorben sind.» Damit endete die Sitzung der Fraternität.
    Johann von Schleußig ermahnte noch einmal alle Anwesenden, Stillschweigen zu bewahren, dann zerstreute sich die kleine Gruppe, ein jeder von ihnen tief in Gedanken versunken.
     
    David bedrängte Eva wie ein junger Liebhaber.
    «Lass uns Susanne fortschicken», schlug er sogar vor. «Wir beide fangen noch einmal ganz von vorne an. Du kannst Kinder haben, so viel du möchtest.»
    «Ich muss darüber nachdenken, ich brauche Zeit», hielt Eva ihn hin.
    Sie hatte bemerkt, dass ihr Körper sich verändert hatte. Die Brüste waren größer geworden, spannten und schmerzten bei jeder Berührung. Sie hatte schon zwei Monde lang nicht geblutet, und sie wusste, was das bedeutete. Sie war schwanger.
    Sie würde ein Kind haben. Konnte sie zulassen, dass dieses Kind keinen Vater hatte? Eva verbrachte lange Stunden vor Mattstedts Grab. Wie sollte sie sich entscheiden? Sie traute David nicht, doch sie wollte nicht, dass ihr Kind wie ein Bastard aufwuchs. Sie beschloss, in Davids Schlafzimmer zurückzukehren, obwohl sie seine plötzlich wieder erwachte Liebe nicht einschätzen
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