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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil)
Autoren: Ines Thorn
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Dann sah er Eva an, schüttelte den Kopf, griff sich an die Kehle und floh aus ihrer Kammer.
     
    Wenige Tage später fand auf dem Leipziger Markt eine öffentliche Hinrichtung statt. Die ganze Stadt sprach von nichts anderem, und ein jeder hatte sich vorgenommen, bei diesem Spektakel dabei zu sein.
    Die Kunde war sogar ins Umland vorgedrungen. Fahrendes Volk hatte sich eingefunden und unterhielt die wartende Menge am Rande des Marktes mit allerlei Sperenzchen. Ein Feuerschlucker hatte sein Bündel dort abgelegt, wo die Hainstraße in den Marktplatz mündete. Eva stand auf dem Balkon und sah dem Treiben draußen zu.
    Geputzte Familien zogen zur Hinrichtung wie zu einem Sonntagsspaziergang. Die Frauen trugen die schönsten Hauben, die Kinder waren sauber und rosig wie Ferkel.
    Gesellen aller Gewerke strömten durch die Gassen, scherzten mit den Mägden und hatten sich kleine Sträußchen an die Wämse gesteckt.
    Es herrschte eine Stimmung wie auf dem Jahrmarkt. Händler hatten Buden aufgeschlagen und verkauften Würzwein und Most. Bratküchen waren aufgebaut, Krämer hatten ihre Stände mit Tand bestückt.
    Unten ging die Haustür auf, und Heinrich trat auf die Gasse. Auch er wollte sich die Hinrichtung nicht entgehen lassen.
    Eva kehrte zurück in die Stube und schloss die Tür. Dann ging sie hinunter in die Werkstatt. Nur David war da, alle anderen bereits auf dem Markt.
    «Ich möchte, dass du mich zu dieser Hinrichtung begleitest», forderte Eva.
    «Was soll ich dort?», fragte David. «Die Arbeit macht sich nicht von alleine.»
    «Die Arbeit kann warten. Du wirst mich begleiten.»
    David sah seine Frau an, doch er konnte ihrem Blick nicht standhalten. Stumm schüttelte er den Kopf. «O doch, David. Du kommst mit.»
    Sie trat dicht vor ihn und sah ihm direkt in den Augen.
    «Oder hast du Angst?», fragte sie.
    David lachte kurz und schrill. «Gut, gehen wir.»
    Wenig später mischte sich das Ehepaar unter die Schaulustigen.
    «Wird Zeit, dass es in Leipzig endlich mal wieder eine richtige Hinrichtung gibt», erklärte ein Geselle und nahm einen kräftigen Zug aus einem Weinschlauch.
    «Recht habt Ihr», stimmte eine Bäuerin aus dem Umland zu. «Zucht und Ordnung müssen gewahrt werden. Ein Mörder hat nun mal den Tod verdient. Und der Mörder Mattstedts ist auch noch dran.»
    Priska stand ganz vorn, nicht um des Vergnügens willen, sondern weil sie ihren Vater sehen wollte. Der Henker trug eine Kapuze über dem Kopf mit nur zwei Löchern für die Augen, doch Priska reichte das.
    Regina aber stand in der Nähe einer Bratküche und schäkerte mit zwei Fremden, die niemand zuvor hier gesehen hatte.
    Eva zog David nach vorn. Auch ihr ging es nicht ums Vergnügen, sie wollte um jeden Preis, dass David alles genau sehen konnte.
    «Was meinst du?», fragte sie ihn. «Ob der Mörder Angst hat? Wie wird es wohl sein im Fegefeuer? Man sagt, unbestrafte Mörder hörten des Nachts die Klagelaute der Gemarterten. Stimmt das, David?»
    «Woher soll ich das wissen?», fragte er, doch Eva lächelte nur und sah sich nach allen Seiten um. «Man sieht einem Menschen den Mörder nicht an. So wenig, wie man das Tier im Menschen mit bloßem Auge erkennt. Vielleicht ist Mattstedts Mörder ganz in der Nähe.»
    Plötzlich ging die Rathaustür auf, und der Beschuldigte wurde von zwei Stadtknechten herausgeführt. Seine zerlumpten Kleider waren blutbefleckt. Die Schuhe hatte man ihm abgenommen. Hände und Füße waren mit eisernen Ketten gefesselt.
    Die Leute johlten, als sie den Mann sahen. Pferdemist flog, faule Eier und sogar der Inhalt von Nachttöpfen. Der Mörder wurde beschimpft, verhöhnt und angespuckt. Die Leipziger machten sich einen Mordsspaß daraus, ihm auch noch seinen letzten Gang zur Hölle zu machen.
    Der Mann hatte den Kopf gesenkt, sah nur auf das Pflaster unter sich. Immer wenn ihn ein Geschoss traf, zuckte er zusammen. Die Stadtknechte trieben ihn unerbittlich weiter durch die Menge.
    «Lump», «Schwein» und «Mordbube» wurde er beschimpft.
    Beinahe hatte Eva Mitleid mit ihm. Sie sah zu David, der mit erstarrten Gesichtszügen auf den Verbrecher sah.
    «Komm, lass uns gehen», bat er. «Ich habe genug gesehen, muss mich nicht am Unglück anderer weiden.»
    «Nein», erwiderte Eva. «Wir bleiben. Und diesem Mann dort ist kein Unglück widerfahren. Er hat einen anderen ums Leben gebracht. Und das mit Absicht.»
    Endlich hatte der Mann das hölzerne Gestell erreicht, auf dem der Galgen aufgebaut war.
    Der oberste
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