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Die silberne Göttin

Die silberne Göttin

Titel: Die silberne Göttin
Autoren: P Rowell
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er hatte doch nichts getan, was ihr hätte Angst einjagen können? Außer … Ja, er hatte sein Messer gezückt. Bis dahin war sie nur wachsam gewesen, doch jetzt sah sie völlig verschreckt aus. Warum nur?
    Rob beschloss, sich diese Frage für später aufzuheben, und wandte sich wieder der Aufgabe zu, das kleine Pferd zu beruhigen. Er musste es aus seiner Zwangslage befreien. Ein paar Schnitte mit dem scharfen Messer, und es war geschafft. Er nahm sich nur noch die Zeit, das Messer in die Scheide zurückzustecken und den Griff eines rechteckigen Lederkoffers zu packen, der aus dem Wagen geschleudert worden war. Dann führte er das stark lahmende Kutschpferd zu seiner Herrin.
    "Ich fürchte, er hat eine Sehnenzerrung. Er wird nicht fähig sein …"
    Ein tiefes Grollen und ein leichtes Vibrieren des Bodens waren die einzigen Warnungen. Rob ließ die Zügel los und stürzte auf die Frau zu. Ohne lange nachzudenken, warf er sie sich über die Schulter und rannte mit weit ausholenden Schritten durch den weichen Schnee. Die Pistole flog im hohen Bogen davon und entlud sich mit einem lauten Knall. Beide Pferde galoppierten vor Angst laut wiehernd vor ihm her. Eine Wand aus Steinen, Erde und halbgefrorenem Schnee donnerte brüllend den Abhang hinab auf sie zu. Mit jeder Sekunde wurde sie schneller. Rob verdoppelte seine Anstrengungen. Verzweifelt versuchte er, den Hang zu überqueren und so aus der Reichweite der Lawine zu kommen.
    Plötzlich stolperte er und fiel mit der Frau zu Boden.
    Sofort warf er sich über sie und bemühte sich, den Lederkoffer schützend über den eigenen Kopf zu halten. Ein Felsbrocken schlug auf dem Koffer auf und sprang weiter. Noch einer. Ein Klumpen aus Erde und Eis traf ihn an der Schulter, und eisig kalter Schneematsch füllte seine Stiefel und fiel ihm in den Kragen. Großer Gott! Wurden sie verschüttet?
    Die Zeit schien kein Ende nehmen zu wollen, während die donnernde Lawine immer näher kam. Dann endete das Brüllen so abrupt, wie es begonnen hatte. Rob war der Panik nahe und kämpfte sich nach oben. Zu seiner unaussprechlichen Erleichterung konnte er Kopf und Oberkörper freibekommen. Es herrschte eine erschreckende Stille. Vorsichtig setzte er sich auf und blickte umher.
    Und erschauderte.
    Er lag genau am Rand eines großen Geröllfeldes, das nun einen Teil des engen Tales ausfüllte. Die umgestürzte Kutsche war überhaupt nicht mehr zu sehen, die Straße war unter Schnee und Erde verschwunden. Rob zog sein Bein aus dem Schnee und wandte sich an die immer noch still daliegende Dame. "Madam, sind Sie verletzt?"
    Sie lag wie erstarrt neben ihm, die Augen fest geschlossen. Aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen. Zum ersten Mal bot sich Rob die Gelegenheit, sie genauer zu betrachten. Das silbrige Haar, das unter der Kapuze ihres Hermelinmantels hervorlugte, hatte ihn getäuscht. Sie hatte das glatte Gesicht einer noch sehr jungen Frau, sicher nicht älter als Mitte Zwanzig. Sie regte sich nicht.
    "Miss? Miss?" Beunruhigt wegen ihrer Blässe, schüttelte er sie sanft an der Schulter. Hatte er sie erdrückt? "Miss, können Sie sprechen?"
    Ihre Lider zitterten, und dann schaute Rob plötzlich in Augen, die so tiefblau waren wie ein Gebirgshimmel. Ihre Klarheit verschlug ihm den Atem. Und die Sprache. "Äh … äh, Miss …" Er räusperte sich. "Sind Sie verletzt?"
    Sie holte tief Luft und schluckte. "Nein … Nein, ich glaube nicht."
    Mühsam versuchte sie, sich aufzusetzen. Sofort kniete Rob sich hin und streckte ihr die Hand entgegen. Sie betrachtete sie einen Moment lang ernsthaft und ließ es dann zu, dass er ihr beim Aufstehen half. Verwirrt schaute sie um sich. "Was ist mit meiner Kutsche passiert?"
    "Ich befürchte, sie ist nun völlig verschüttet."
    "Und meine Pistole?"
    Rob zuckte die Achseln. Von der war genauso wenig zu sehen. "Ich habe keine Ahnung." Er stampfte auf, um den Schnee von seinen Stiefeln zu schütteln, und klopfte seine Kleidung ab. Suchend blickte er sich nach den Pferden um. "Ich glaube, wir sollten so schnell wie möglich von hier fortkommen."
    "Aber wo …?" Die Dame drehte sich im Kreis und suchte nach der verschütteten Straße. Der stärker werdende Wind presste ihren feuchten Mantel eng um ihre schmale Gestalt, und sie zitterte. Ein paar Schneeflocken tanzten um sie herum.
    "Mein Zuhause ist dort oben. Auf dem Felsen." Rob deutete auf eine alte Burg, deren Umrisse man in einiger Entfernung vor dem Hintergrund der sich immer mehr auftürmenden Wolken
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