Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die silberne Göttin

Die silberne Göttin

Titel: Die silberne Göttin
Autoren: P Rowell
Vom Netzwerk:
Angst überspielte.
    Als Rob fast zwei Stunden fort war, klappte sie ihr Skizzenbuch zu und wartete einfach nur noch. Sie schritt auf und ab und starrte von Zeit zu Zeit aus dem Fenster. Bei einem dieser Rundgänge fiel ihr Blick auf Johns Arm. Sie eilte zu ihrem Bruder und schaute sich seinen Ärmel an. "Oh, John! Du blutest schon wieder. Dein Rockärmel ist völlig von Blut durchtränkt."
    "Verdammt!" John legte das Buch beiseite und betrachtete das Blut. "Das muss passiert sein, als ich mich eben etwas gereckt habe. Ich glaube, da hat es ein wenig wehgetan."
    "Wieso hast du Mrs. Lamonby die Wunde nicht gleich nähen lassen?" meinte Iantha ungehalten.
    "Weil ich nicht genäht werden wollte", erwiderte er gereizt.
    "Nun, auf die Dauer wäre es so viel schneller geheilt. Du gehst jetzt besser und lässt dir von Roger einen frischen Verband anlegen."
    John untersuchte noch einmal seinen blutigen Ärmel. "Das kann warten, bis Rob zurückkommt." Blut tropfte auf den Teppich und strafte seine optimistischen Worte Lügen.
    "Jetzt blutest du sogar den Teppich voll. Du gehst sofort." Iantha zog ihn an seinem guten Arm hoch und schubste ihn in Richtung Tür.
    John stemmte die Fersen in den Boden. "Ich lasse dich aber nicht allein."
    "Ich bin nicht allein. Feller steht draußen vor der Tür. Wir begleiten dich gemeinsam nach oben. Ich wollte sowieso eine Weile in mein Zimmer gehen. Rob wird sicher bald zurück sein." Iantha sandte ein stummes Gebet zum Himmel, dass das auch wahr sein möge.
    Feller steckte den Kopf zur Tür herein, weil er ihre Auseinandersetzung gehört hatte, und musterte John. "Lady Duncan hat Recht, Major", meinte er sachlich. "Sie tun ihr keinen Gefallen, wenn Sie durch den Blutverlust so schwach sind wie ein junges Kätzchen. Wir werden nach Dan klingeln. Er soll uns bewachen, während wir nach oben gehen."
    So von allen Seiten bedrängt, gab John schließlich auf, und alle drei gingen nach oben, John in sein Schlafzimmer und Iantha in das ihre. Feller bezog Posten vor ihrer Tür. Sie klingelte nach Daniel und nahm ihre Wache am Fenster wieder auf.
    Plötzlich vernahm sie Fellers Stimme. "He! Was macht ihr denn hier oben, Jungs?"
    Iantha eilte zur Tür und öffnete sie. Sie erblickte zwei Männer, deren Kleidung voller Kohlestaub war. Ihre Gesichter waren geschwärzt. Die Kohlenträger in diesem Stockwerk? Sie hatten doch nur die Küche zu beliefern? Während sie noch versuchte, sich über die Situation klar zu werden, warf sich einer der Männer auf Feller.
    Iantha schlug die Tür zu und versuchte, den Schlüssel umzudrehen. Doch bevor sie abschließen konnte, flog die Tür schon wieder auf und ließ Iantha ins Zimmer zurücktaumeln. Der zweite Mann kam mit einem gefährlich aussehenden Messer in der Hand auf sie zu. Ein Bart bedeckte Wangen und Kinn, und reichlich Kohlestaub war über das ganze Gesicht verschmiert, doch Iantha erkannte ihn sofort.
    Diese stechend blauen Augen konnte man nicht verwechseln.
    Sie wollte zum Schürhaken laufen. Bevor sie ihn erreichen konnte, krallten sich die Finger des Mannes in ihr Haar und rissen sie zurück und an sich. Das Messer presste sich an ihre Kehle, und ein kleines Blutrinnsal kroch ihren Hals hinunter.
    "Sehr gut, meine hochmütige Dame. Wie ich sehe, erinnerst du dich an deine letzte Lektion. Das ist ausgezeichnet. Es wird dir helfen, die nächste, noch weiter fortgeschrittene, zu meiner Zufriedenheit zu lernen. Ich habe auch schon den richtigen Ort für den Unterrichtsraum – ein abgeschiedenes Fleckchen, gut versteckt." Er stieß ihr das Knie in den Rücken und begann, sie mit seinem Körper zur Tür zu schieben.
    Für einen Augenblick starr vor Angst, bewegte Iantha sich auf die Tür zu. Großer Gott! Waren ihre schlimmsten Alpträume wahr geworden? Er war wirklich hier! Er hatte tatsächlich vor, ihr noch einmal das anzutun, was er schon einmal getan hatte!
    Und noch mehr.
    Seine Drohungen waren entsetzlich echt gewesen. Einen Herzschlag lang war sie von Entsetzen erfüllt, das keinen Platz für einen vernünftigen Gedanken ließ. Dann wurde ihr Kopf langsamer klarer. Es war nicht die gleiche Situation wie damals. Sie würde es nicht zulassen. Sie war keine verängstigte Achtzehnjährige mehr.
    Jetzt wusste sie um ihre Kraft.
    Doch das wusste ihr Peiniger nicht. Er vertraute viel zu sehr seiner eigenen. Und das würde ihn unvorsichtig werden lassen. Früher oder später würde er einen kleinen Fehler machen.
    Und dann würde sie bereit sein.
    Higgans
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher