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Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
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könnte, wäre er entsetzt. Ludger hatte die Menschen in hehr und schurkisch, gut und böse, edel und gemein eingeteilt; eine Frau mit ihrer verlorenen Liebe zu erpressen wäre ihm durch und durch verdammenswert erschienen, gerade weil Thaddäus das gleiche bei ihm getan hatte.
    »Man darf Euch wohl nun bald Roswitha von Aken nennen«, sagte Irmgard, und das Salz, das auf ihren Wangen brannte, war nicht so beißend wie ihre Stimme. »Das wird Eike von Repgow überraschen, wo er in Euch doch schon die Gemahlin seines Neffen gesehen hat. Weiß Euer zukünftiger Gatte von Euren … früheren Heiratsabsichten?«
    Unter anderen Umständen wäre Roswitha wütend geworden, aber so, wie die Dinge lagen, spürte sie, daß ihre Achtung vor der Gräfin stieg. Sie hatte Irmgard von Thüringen, die in ihrem Leben nie unter Not und Angst hatte leiden müssen, keine große Widerstandskraft zugetraut; darauf, daß die Frau inmitten ihres aufrichtigen Kummers noch in der Lage war, auf die gleiche Art zurückzuschlagen, statt sich der Mittel ihres Standes zu bedienen, war sie nicht gefaßt gewesen. Zum Glück hatte Irmgard die falsche Vermutung angestellt. Roswitha lächelte sie an.
    »Es gibt keine Geheimnisse zwischen uns«, erwiderte sie.
    Über Irmgards Gesicht lief ein Zucken. Ihre Tränen waren inzwischen versiegt, aber ihre wunden Augen schautennur noch leerer drein. »Dann beneide ich Euch«, sagte sie leise.
    Auch Irmgard wußte, was es bedeutete, im Bett eines Mannes zu liegen, der sich nicht darum kümmerte, was in einem vorging. Doch Bernhard hatte sich verändert. Er war nicht über Nacht zum Heiligen geworden, genausowenig wie Roswitha über Nacht entdeckt hatte, daß sie mehr für ihn empfand als Dankbarkeit. Bernhard und sie kannten einander, und so verlor er über ihre Gefühle für Ludger kein Wort mehr, und sie fand sich damit ab, daß auf Burg Aken die Magd weilte. Was neu zwischen ihnen war und ihre Hoffnung auf die Zukunft festigte, war, daß Bernhard keinen weiteren Blick auf Bertha verschwendet und es ihr überlassen hatte, über die Zukunft der Magd zu entscheiden. Neu war, daß er sie zum Lächeln brachte, daß sie begonnen hatte, auf sein Herz zu vertrauen, statt nur auf seine Lust zu bauen. Neu war, daß sie in der letzten Nacht zum erstenmal von ihm geträumt hatte.
    Für Irmgard würde es dergleichen Veränderungen nicht geben. Die kurze Zeit als Graf Heinrichs Gefangene hatte Roswitha genügt, um zur Überzeugung zu gelangen, daß Herzog Albrecht allen Grund hatte, seinen Bruder zu verabscheuen. Ganz zu schweigen davon, daß Heinrich zumindest stillschweigend damit einverstanden gewesen sein mußte, Ludger und die Jungen seinem Haß auf den Erzbischof zu opfern, auch wenn er jetzt vorgab, von Vater Thaddäus getäuscht worden zu sein.
    Und das war der Mann, mit dem Irmgard den Rest ihres Lebens verbringen würde. Sollte ihn eine Krankheit oder das Alter dahinraffen, was in Anbetracht der Jahre, die zwischen Irmgard und Heinrich lagen, nicht unwahrscheinlich war, dann liefe das für Irmgard wohl auf ein Witwendasein im Klosterhinaus. Nach allem, was Ludger über Heinrichs abscheulichen Sohn Henner erzählt hatte, bestand keine Ursache, auf dessen kindliche Liebe zur Mutter zu zählen.
    All das war Irmgard mit Sicherheit schon seit langem klar. Roswitha erinnerte sich daran, wie sie Ethlind in einem Anflug von Bitterkeit gesagt hatte, in dieser Welt dürfe man kein Weib sein. Ethlind hatte es nicht glauben wollen. Irmgard dagegen brauchte es wohl gar nicht erst zu hören; sie wußte es schon längst.
    »Kommt«, sagte Roswitha, einem plötzlichen Impuls nachgebend. »Laßt uns zur Kapelle gehen.«
    »Warum?« fragte Irmgard und klang erstmals verwirrt und mißtrauisch zugleich.
    »Um eine Kerze zu stiften«, entgegnete Roswitha. »Für Ludger. Für Eure Zukunft. Für meine.«
    Irmgard erwiderte nichts. Doch sie nickte schweigend. Der Damast ihres Kleides raschelte, als sie Roswitha voranging.
    In der Burgkapelle roch es nach altem Weihrauch und Staub. Offenbar hatte der Graf noch keinen Ersatz für Vater Thaddäus gefunden. Der Haß, der in Roswitha bei der Erinnerung an den Mönch aufquoll, drohte sie für einen Moment zu überwältigen. Dann sammelte sie sich. Thaddäus war tot und schmorte in der Hölle für seine Taten. Er war es nicht wert, daß man auch nur einen weiteren Gedanken an ihn verschwendete.
    Der Geruch von Bienenwachs stieg ihr in die Nase und vertrieb die Befürchtung, die Spuren des
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